Witold Szablowski - Wie man einen Diktator satt bekommt
Buchinformation
„Essen ist Macht." Das mit dem Gourmand World Cookbook Award 2021 in der Kategorie „Heads of State" ausgezeichnete Buch lässt die Köche von Fidel Castro, Saddam Hussein, Idi Amin, Pol Pot, Enver Hoxha erzählen. Der polnische Journalist Witold Szab?owski recherchierte dazu auf vier Kontinenten und stöberte die noch Überlebenden auf, führte Interviews mit Angehörigen und lässt die toten Diktatoren in Form ihrer Köche und Leibspeisen noch einmal auferstehen.
Krokodile und andere Leckerbissen
„Wenn du Essen hast, hast du Geld, hast du Frauen, hast du die Bewunderung der Leute. Du kannst alles haben, was du willst." Keine Sorge, das ist kein Buch über Kannibalismus. Auch wenn man dem ugandischen Diktator nachsagte, seine Feinde den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen zu haben und sogar Menschenfleisch gegessen zu haben, ganz so war es dann doch nicht. Die Grausamkeiten afrikanischer Diktatoren, die nach dem antikolonialen Befreiungskampf der Sechziger an die Macht kamen, seien doch eher aus dem Reich der Legenden und dienten alleine dazu, die Befreiung und Unabhängigkeit selbst zu diskreditieren. Der Koch von Idi Amin verbürgt sich jedenfalls dafür, dass er niemals Menschenfleisch gekocht habe und alle Lagerbestände selbst geprüft hätte. Übrigens stammte auch die Familie von Barack Obama aus dieser Gegend. Witold Szab?owski besucht Sarah Obama in Kogelo, dem Wohnort der Luo: „Der Stammsitz der Familie Obama ist ein verschlafener, idyllischer Ort". Die Luo sind ein kluges Volk, denn sie investieren ihr Geld in die Ausbildung der Kinder und so schaffte es auch Barack Obama senior nach Amerika.
Obama zum Grapefruitsteak in Kuba bei Fidel
Was uns gleich zu einem anderen Diktator führt. Fidel Castro soll einmal gesagt haben, dass ihn Amerika erst wieder interessieren würde, wenn sie einen schwarzen Präsidenten hätten. Tatsächlich kam es dann im Jahr 2014 zu einem Besuch Barack Obamas in Kuba, der erste Präsident der den Inselstaat seit der kubanischen Revolution besuchte. Fidel sei geradezu verrückt nach Milchprodukten gewesen, vor allem aber Eiscreme. Er wollte dass jeder Kubaner in Coppelia gehen könnte und sich dort die besten Eissorten aus Schafsmilch, Ziegenmilch, Biomilch und Eselsmilch holen könnten. Ubre Blanca war eine kubanische Kuh, die 100 Liter Milch gab und vom Regime propagandistisch ausgeschlachtet wurde. Das war mehr als vier mal so viel wie eine normale Kuh. Allerdings versiegte ihr riesiges Euter schon nach wenigen Jahren und sie ging den Weg alles Irdischen. Ubre Blanca hatte es aber immerhin in das Guiness Buch der Rekorde geschafft. Und was aßen die Kubaner wirklich? Grapefruitsteak. Das Rezept, das aus der kommunistischen Mangelwirtschaft geboren wurde, findet sich ebenso in diesem Artikel wie Castros Lieblingsspeisen.
Witold Szab?owski: der grasende Reporter
Besonders tragisch ist auch der Beitrag zu Kambodscha. Denn Witold Szab?owski vergisst auch hier nicht auf die geopolitische Lage zu verweisen, die im Falle von Kambodscha eben besonders traurig ist. Das kleine Land wurde mit über einer halben Million Tonnen (!) beworfen, dreimal so viel wie auf Japan während des Zweiten Weltkriegs. Das trieb die Bevölkerung in die Hände der Roten Khmer und deren Anführer Pol Pot. Die Untersuchungen der Verbrechen der Khmer durch die UNO wurden später eingestellt, um das dann kommunistische Vietnam zu schwächen, einen Hauptgegner der USA. Witold Szab?owskis Arbeitsweise stützte sich auf die im Anhang angegebenen Quellen. Außerdem bat er Bekannte der Diktatoren sein Manuskript zu lesen. Und schließlich konsultierte er Fachleute. Die Erzählungen der Köche konfrontierte er mit den Quellen, aber was er nicht überprüfen konnte, ließ er als ihre Wahrheit stehen. So entstand ein einzigartiger, bisher nie gesehener Blick auf die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, das zudem reich illustriert ist (Originalfotos) und auch viele Karten zur Orientierung beinhaltet. Die graphische Gestaltung ist zudem sehr ansprechend und regt das Interesse für weitere Publikationen dieses jungen Verlages aus Greifswald an. Im 2015 gegründeten KATAPULT-Verlag erscheinen Sachbücher und Atlanten zu gesellschaftlichen und politischen Themen, Romane und Erzählungen, Kinderbücher und auch Übersetzungen polnischer Literatur.
Witold Szab?owski
Wie man einen Diktator satt bekommt
320 Seiten, Hardcover, 24 Euro (DE),
ISBN: 978-3-948923-28-0
Katapult Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-12-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.