„Der Reiter reitet durchs helle Tal,/Auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl.//Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee, /Er will noch heut an den Bodensee“, heißt es in Gustav Schwabs „Der Reiter und der Bodensee“ und am Ende muss der Reiter erkennen, dass das, was er sucht, ihn längst gefunden und er erblasst und will es nicht glauben, was die Dörfler ihm sagen, doch „Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab,/Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.“ Die Dramatik dieser Ballade ist durchaus mit Goethes „Erlkönig“ (natürlich unübertroffen!) vergleichbar und es ist doch schön, auch mal illustrierte Balladen zu lesen, die freundlich und weniger schrecklich daherkommen, als die großen Vorbilder.
Natürlich darf die Lorelei nicht fehlen, die da immer noch säße auf ihrem Felsen, hätten Hitlers Horden sie nicht verbrannt, Heinrich Heine schrieb es und weil er Jude war, mussten seine Bücher brennen: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,/Daß ich so traurig bin;/Ein Märchen aus alten Zeiten,/ Das kommt mir nicht aus dem Sinn.“ Tatjana Hauptmann zeichnet eine halb entblößte Blondine in rosa Kleidchem, die von Zwergen gekämmt wird, ihr langes Haar hängt über den Felsen und darüber fliegen die Raben und tragen das Wasser den Rhein entlang. „Ich glaube, die Wellen verschlingen“, heißt es bei Heine, „Am Ende Schiffer und Kahn; /Und das hat mit ihrem Singen/ Die Lorelei getan.“
Lauter und weit weniger zärtlich klingt das „Grab von Busento“ von August von Platen, auch er im 18. geboren und im 19. Jahrhundert früh gestorben. „Und es sang ein Chor von Männern: `Schlaf in deinen Heldenehren!/Keines Römers schnöde Habsucht soll dir je dein Grab versehren!´ Der eine lobt das Haar der blonden Frau, der andere die Goten und ihren tapfersten Toten, den Alarich, der im Busento sein Grabe fand. „Nächtlich lispeln am Busento, dumpfe Lieder,/Aus den Wassern schallt es Antwort, in den Wirbeln klingt es wider!“ Cosenza, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Kalabriens ist heute zwar nicht mehr der Nabel der Welt, aber in Platens Gedicht, kommt auch sie zu neuen Ehren. Und wer noch?
Einen Clemens Brentano hätten wir noch, den Chamisso Adelbert, Ludwig Uhland darf es sein, ein bisschen Eichendorff und Rückert oder Wilhelm Müller, Droste-Hülshoff und Bürger sowie Goethe, Schiller, Kopisch, Storm. Aber nicht nur das 18. und 19. Jahrhundert ist in dieser Balladensammlung vertreten, sondern auch das 20. mit Morgenstern, Trakl, Walser, Brecht, Kästner und sogar Kreisler, der als einziger Lebender unter all diesen toten Dichtern hoffentlich noch lange leben soll, damit das deutschsprachige Balladengut noch erweitert werden kann um weitere seiner lustigen Texte. August Kopisch wird es wohl gewesen sein, der die Heinzelmännchen erfand, aber verschwunden sind sie wegen des Schneiders Weib Neugierde: sie streute Erbsen hin die andre Nacht, „Die Heinzelmännchen kommen sacht“ und rutschten aus und sind dahin. Das Klagelied nun angestimmt: „O weh!nun sind sie alle fort, /Und keines ist mehr hier am Ort!/Man kann nicht mehr wie sonsten ruhn,/Man muß nun alles selber tun!/Ein jeder muß fein/Selbst fleißig sein,/ Und kratzen und schaben/Und rennen und traben/Und schniegeln/Und biegeln/Und klopfen und hacken/Und kochen und backen/Ach, dass es noch wie damals wär! Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!“ Danke nochmals dem Weib des Schneiders ihre Neugier!
Christian Strich/Tatjana Hauptmann
Das große Balladenbuch
Die schönsten deutschen Balladen gesammelt von Strich, gezeichnet von Hauptmann