„Das ist meine Wahrnehmung meiner selbst. Meine wahrnehmung ändert sich nicht. Folglich altert oder ändert sich meine Erscheinung nicht.“, resümiert Dr. Manhattan alias Dr. Jon Osterman ganz schön philosophisch im vorletzten Band der Prequelreihe zu Alan Moore’s Watchmen. War der Quanteneffekt die Quantenursache? Erschuf er sich selbst? Die meisten Leute würden den Fehler an der falschen Stelle suchen, denn der Fehler liege nicht dort, wo man sich gerade befinde, sondern dort, wo man den ersten Schritt in die falsche Richtung gemacht hat.
„Was ist in der Kiste?“
Was in der „Kiste“ ist, ist bis zu dem Moment unklar, bis man hineinschaut, aber potentiell gibt es viele Möglichkeiten, was sich in der „Kiste“ befinden könnte. Die Kiste könnte auch ein nettes Schächtelchen sein, in dem sich ein Ring befindet oder die Hand der Verlobten. Ich habe um ihre Hand angehalten, das ist auch eine nette Kurzgeschichte von Oscar Wilde. Aber der kommt in Dr. Manhattan nicht vor, stattdessen „Schrödingers Katze“, die Erklärung für die Quantenphysik von Erwin Schrödinger (1935). Das Universum teilt sich ihm zufolge in zwei Hälften, die unterschiedliche Wege einschlagen. Wenn man sich einer Viele-Welten-Interpretation verpflichtet fühlt, bleiben beide Zustände (tote und lebendige Katze) als gleichberechtigte Realitäten erhalten und könnten sich von nun an unabhängig voneinander weiterentwickeln, zumindest bis der Zustand der Katze durch einen Beobachter, der die Kiste öffnet überprüft wird.
Alles steht Kopf
In „Dr. Manhattan“ von J. M. Straczynski/Adam Hughes ist nicht nur die inhaltliche Umsetzung, sondern auch die zeichnerische äußerst gelungen. Nachdem es ja hauptsächlich um Perspektivenwechsel geht, wird diese Idee auch graphisch umgesetzt, sodass bald nicht mehr nur das Comic selbst Kopf steht, sondern vor allem auch der Leser. Die zugegeben nicht immer einfachen Überlegungen der Quantenphysik werden von dem Autorenteam auf verständliche Weise umgesetzt und nachvollziehbar gemacht und so tritt auch ein gewisser Lerneffekt ein, wenn nicht zumindest die Verpflichtung, selbst auch einmal die Perspektive zu wechseln und Dinge auf den Kopf zu stellen. „Erst wenn du über das hinausgehst, was du glaubst zu wissen, kannst du die Wahrheit erkennen“, auch wenn diese Wahrheit eine Tochter der Zeit istm möchte man hinzufügen.
Kernschmelze, jetzt!
Es ist manchmal leichter, das Universum zu bewegen als sich selbst. Wenn man einen Tausendfüssler fragt, welches Bein er zuerst bewege, könne er stundenlang nicht mehr laufen. Ozymandias gelingt es, Dr. Mahattan hinter sein eigenes Licht zu führen, aber er tut es ja für die Welt und nicht für sich selbst, denn er ist gerade deswegen so selbstlos, weil er alles hat, was man sich wünschen kann. Ein sehr ambitionierter Comic, der sich mit wichtigen Fragen der Existenz und des Lebens auseinandersetzt und durchaus fähig ist, einen Nachdenkprozess in Gang zu setzen an dessen Ende nicht unbedingt die Kernschmelze stehen muss.
Autor:J. M. Straczynski Zeichner:Adam Hughes
BEFORE WATCHMEN: DR. MANHATTAN SC
Before Watchmen: Dr. Manhattan 1-4 www.paninicomics.de
Preis:14,99 €
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-12-10)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.