Ein Nachschlagewerk der ganz besonderen Art sind die beim Holzbaum Verlag erschienen Taschenbücher mit dem irreführenden Titel „Unnützes Wissen“, denn was sie bieten ist alles andere als unnütz. So lässt das Stichwort „Mariahilferstraße“ aufhorchen, da der unlängst als Fußgängerzone neu eröffnete Boulevard schon viele andere Namen trug: Kremser Straße, Bayerische Landstraße, Laimgrubner Hauptstraße, Schönbrunner Linienstraße, Mariahilfer Grund Straße, Mariahilfer Hauptstraße, Fünfhauser Hauptstraße, Penzinger Poststrape, Schönbrunner Straße, Penzinger Straße. Was der Beitrag allerdings nicht erzählt, ist, dass sich die verschiedenen Bezeichnungen wohl auch nur auf verschiedene Abschnitte der wohl längsten Straße Wiens bezog. Jedenfalls verbindet sie schon seit Kaiser`s Zeiten die Innenstadt vom Burgring aus mit dem Schloss Schönbrunn und wurde wohl auch nur deswegen erbaut, damit die hochherrschaftlichen Häupter auf ihrer Kutschenfahrt in die Sommerfrische nicht allzu sehr erschüttert werden würden. Umso revolutionärer lässt sich wohl heute die Tatsache deuten, dass der mittlere Teil der Mariahilferstraße nunmehr eine Fußgängerzone wurde und gerade mal noch Radfahrer und Kinderwagen darauf geschoben werden dürfen, aber sicherlich keine Kutschen mehr. Um 1780 gab es in Wien übrigens noch rund 100 öffentliche Sänften – auch das weiß „Unnützes Wien“. Ob diese wohl auf der Inneren Mariahilferstraße bald wieder eingeführt werden? Schlägereien und Blutduscher
Im Hause der Parlamentarier am Ring ging es aber nicht unbedingt immer nobel zu. So beobachtete kein Geringerer als Mark Twain, der zwischen 1897 und 1899 in Wien lebte, eine Schlägerei im Parlament, die wegen der Obstruktionspolitik der Tschechen im Reichsrat ausgebrochen war. Weit grausamer noch ging es aber in der Nahe gelegenen Augustinerstraße zu, dort nahm die ungarische Gräfin Elisabeth Bathory regelmäßig eine Blutdusche, weil sie glaubte, dass das Blut junger Mädchen sie jung halten würde. Natürlich war das einige Jahrhunderte früher, sie lebte zwischen 1560 und 1614 und starb als wohl erste weibliche Serienmörderin: 650 junge Mädchen zählten zu ihren Opfern. Aber selbstverständlich ist auch von positiven weiblichen Integrationsfiguren die Rede, etwa von Hedy Lamarr, nach deren Geburtstag auch der weltweite Tag der Erfinder, der 9. November, benannt ist. Zu ihrem 100. Geburtstag 2014 bekam sie übrigens auch ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof und liegt heute prominent – als quasi erster weiblicher Pornostar der Geschichte – neben so illustren Geistesgrößen wie der Historikerin Erika Weinzierl oder der Künstlerin Maria Lassnig, zentral, gleich vis a vis von der Dr. Karl Lueger Gedächtniskirche.
Von Koth und Vuts
„Mache dich auf zu einem angenehmen Leben und erfreue dich an Genüssen, die von Dauer sind“, steht auf Arabisch im Griechenviertel in der Innenstadt, beim sog. Steyrerhof neben der Heumühle in Wieden, einem der ältesten Profanbauten der Stadt. Erst 2007 konnte das Rätsel der arabischen Schrift entschlüsselt werden, aber es so etwas wie ein arabischer Kyselek war, der das hinschrieb, bleibt wohl doch für immer im Verborgenen der Geschichte. Es geht aber auch despektierlich zu, denn der ungewöhnliche Reiseführer zeigt auch die tabuisierten Seiten des goldenen Wiener Herzens. So hießen ursprünglich nicht nur die Gumpendorfer, sondern auch die Pramergasse und die Blutgasse einstens „Kothgasse“. Auch der Begriff „Fut“ bedeutet eigentlich Arsch, denn er stamme vom mittelhochdeutschen „vut“, was Hintern bedeute. Daher kommt auch „Füdle“, eine Kurzform von „fudloch“. Mit an Kiebara kann ma hoid kan Koarl machn, sunst packt er die Brezn aus und mit leiwand is dann vuerst Schluss. Alles kloar? „Unnützes Wien Wissen“ gräbt viele Anekdoten aus dem reichen Reservoir der Geschichte der Stadt wieder aus und bringt sie ans Tageslicht. Das Brevier ist amüsant zu lesen und natürlich leicht in einer Jackentasche zu verstauen, damit man eventuell heimlich darauf blicken kann, um die mitreisenden Flaneure gezielter beeindrucken zu können.
In derselben Reihe ist beim selben Verlag auch „Unnützes Wien Wissen – Musik“ erschienen.
Stadtbekannt
Unnützes WienWissen
Holzbaum Verlag
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-10-10)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.