„Le modèles deviennent d`étranges sirènes nageant dans des eaux sombres, près des rivages d`un monde obscur, lugubre et fermè“, („Die Models werden zu sonderbaren Meerjungfrauen, an den Gestaden einer düsteren, bedrückenden und in sich geschlossenen Welt umherschwimmend.“), schreibt Karl Lagerfeld im Vorwort dieser den Männern gewidmeten Ausgabe von Earbooks, „die die Frauen lieben“: „secrets de femmes...pour l`homme qui aime les femmes“, so steht es auf der ersten Umschlagseite. Wer diese „secrets“ (Geheimnisse) erkunden möchte, den erwartet ein Abenteuer der ganz besonderen Art. Vee Speers hat in ihren Fotografien die Welt der „belle epoque“ nachgestellt, ihre Models sind zwar keine Prostituierten, aber die Etablissements, in denen sie ihre Visionen einer untergegangenen Epoche verwirklicht, sind ehemalige Bordelle, deswegen wohl auch der unmissverständliche Titel, denn es handelt sich tatsächlich um ein französisches „Kulturgut“, das bereits 1946, nur ein Jahr nach dem Krieg, verboten wurde, wie auch Paul Ryan in seinem sehr aufschlussreichen Nachwort bemängelt.
Die staatlich autorisierten Bordelle wurden vor allem unter der Initiative der ehemaligen Erste- Weltkriegs-Spionin Marthe Richard verboten, schreibt Paul Ryan und die dort arbeitenden Frauen, die
„pensionnaires“, auf die Straße gesetzt. Vee Speers gelang es jedoch, die letzten noch existierenden Etablissements aufzuspüren und in der authentisch erhaltenen Möblierung ihren Tribut an die Frauen
der käuflichen Liebe aufleben zu lassen. Darüber hinaus schmückt sie ihre Fotografien mit einigen Zitaten einschlägiger Literatur aus, darunter vor allem von der Journalistin Laure Adler, die immerhin 100 Jahre Prostitution in ihrer Studie über die „geschlossenen Häuser“ porträtierte. Die Bordelle gibt es übrigens immer noch, am Pigalle. Darunter das „La Shanghai“, „De La Ville Cafè“, oder das „Cafè Carmen“. Die genauen Adressen finden sich übrigens auf der letzten Seite, bei den Acknowledgements, wen es interessiert, aber den Zauber der Fotos wird man dort wohl kaum mehr finden. „Vee Speers zeigt Schönheit, wo die Schönheit furchtbar fehlen kann“, so hat es Karl Lagerfeld ausgedrückt und vielleicht kann man über die vermeintlichen „Freuden“häuser gar nichts Besseres sagen, es sei dann auf Französisch, wo es dann noch eleganter klingt: „Elle montre la beauté là où celle – ci peut cruellement manquer“. Die Fotos zeigen nicht nur Modells, die in Dreißiger Jahre Manier geschminkt oder hergerichtet sind, sondern auch das illustre und teilweise fast monströse Interieur der ehemaligen Bordelle: große Marmorsäulen, nobel verzierte Flügeltüren, Engelsstatuen...der Kunde sollte sich eben wie ein König fühlen. Andere Fotos zeigen reich dekorierte Wände mit Blumen oder Fischmustern, die Farben so paradiesisch, wie die Paradiesvögel im Goldenen Käfig selbst.
So manche Taulière („Bordellwirtin“) hätte sich wohl über so eine schöne Hommage gefreut, mancher Maquereau („Makrele“=Zuhälter) sich die Hände gerieben, zumal dieser Fotoband nicht nur eine schöne Geschichte erzählt, sondern auch noch vier CDs mit französischen Chansons enthält, quasi ein „Guide Rose“ durch die romantische Seite der Liebe. Unter den Liedern befinden sich Klassiker wie „Mènilmontant“, aber auch seltener gehörte wie „Le chaland qui passe“, die Interpreten sind neben der unvergleichlichen Edith Piaf auch Lys Gauty, Fred Gouin mit „Ramona“, Ray Ventura oder sogar Marlene Dietrich mit „Quand l`amour meurt“ (Wenn die Liebe stirbt). Lucienne Dugard singt mit „Un jour mon prince viendra“ (eines Tages wird mein Prinz kommen) wohl die heimliche Hymne der „pensionnaires“ und vielleicht auch von Fabienne, die sich im berühmten Bordell „122“ von einer einfachen Prostituierten bis zur Frau des Taulier hocharbeitete. Die von ihren Mitarbeiterinnen und Kolleginnen aus Eifersucht „geule de vauche“ (Kuhgesicht) genannte hörte auf den bürgerlichen Namen Georgette Pélagie und schaffte es währen der Okkupation der Nazis, das Bordell weiter zu betreiben, obwohl es die Wehrmacht für ihre Soldaten requirieren wollte. „Ich habe `122´ für Frankreich gerettet“, behauptete Fabienne hochmütig nach dem Krieg und damit wohl auch ein echt französisches Kulturgut auch für die Besetzer: zu den besten Kunden während des Krieges gehörten nämlich vor allem deutsche Offiziere und Generäle, „un jour mon prince viendra“...
earbooks
Bordello
Fotografien von Vee Speers
Mit einem Vorwort von Karl Lagerfeld
und einem Essay von Paul Ryan