Die Bücher über Helmut Schmidt und seine Publikationen aus eigener Feder füllen mittlerweile durchaus Regale. Etwas besonderes aber ist es schon, wenn ein enger Vertrauter des ehemaligen Kanzlers, einer, den der im Habitus kühl und distanziert wirkende Helmut Schmidt, durchaus seit Jahrzehnten bereits Freund nennt, sich aufmacht, den Politiker und Publizisten Helmut Schmidt zu portraitieren. Besonders zudem, wenn der 80jährige Theo Sommer mittels seines wunderbaren und geschliffenen Sprachstils auch solche Episoden und Ereignisse versteht, zu öffnen, die bisher öffentlich weitgehend unbesprochen geblieben sind.
Dies gilt vor allem für jenen beruflichen Übergang, den Helmut Schmidt nach dem verlorenen Misstrauensvotum und dem Beginn der CDU / FDP geführten Regierung 1982 / 1982 vollzog, in dem er den Weg zur „Zeit“ ging.
Bis in die Gegenwart hinein ist die publizistische Tätigkeit Schmidts seitdem rege und weltweit respektiert.
Schon der Titel des Buches spiegelt in seiner Mehrschichtigkeit diesen besonderen und vertrauten Ansatz Sommers wieder. Unser Schmidt, dass ist sein Freund, dass ist der Weggefährte bei der „Zeit“ (diese hat durchaus das Recht, Helmut Schmidt als einen der „unsrigen“ zu vereinnahmen), dass ist aber auch das Gefühl deutschlandweit dieser kantigen Person gegenüber. Mit seinen über 90 Jahren ist Helmut Schmidt eine der wenigen Figuren jüngerer Geschichte, die einen solch respektierten und geachteten Platz im öffentlichen Erleben einnehmen konnten (neben ihm gilt dies vielleicht nur noch für Konrad Adenauer und Willy Brandt).
In drei Teilen legt Theo Sommer seine Betrachtungen vor. Zunächst wendet er sich dem Publizisten Helmut Schmidt zu, schildert den nicht unbedingt ebenen Weg, der ihn zur Zeit führte, beleuchtet zudem das Verhältnis Schmidts zum Journalisten an sich (dass ja zu Kanzlerzeiten ein durchaus spannungsgeladenes war), bevor er sich ganz der Tätigkeit und Haltung des Publizisten Schmidt zuwendet. Einiges neue gibt es zu entdecken, durchaus auch im Wandel seiner Haltung Journalisten gegenüber, die er in Teilen seit seiner Tätigkeit bei der „Zeit“ als durchaus befruchtend und wie einen geistigen Jungbrunnen betrachtet.
Im zweiten Teil würdigt Sommer den Politiker und Staatsmann Helmut Schmidt in ausführlicher Weise, weniger in seinen konkreten Funktionen, mehr unterteilt in die wesentlichen Themenfelder der Politik wie Außenpolitik, Sicherheitspolitik und anderem. Zu jedem dieser politischen Felder hatte und hat Helmut Schmidt wesentliches beizutragen, was sich allein schon daran bemisst, wie breites Gehör er regelmäßig weltweit findet. Aber auch in diesem Teil des Buches kommt das persönliche und prägende der Person nicht zu kurz.
Als Hanseaten kennzeichnet ihn Theo Sommer einerseits und bietet somit auch einen erklärenden Schlüssel für manche persönliche Ausprägungen der Person.
Besonders gelungen aber ist das Kapitel über den Philosophen im Politiker. Gerade in Bezug auf Helmut Schmidt ist es ein langjähriger Irrtum, ihm reinen politischen (und menschlichen) Pragmatismus zu unterstellen. Dass sein Weltbild durchaus durchdacht und in philosophischen Werten verankert liegt und aus diesem heraus auch seine vielfachen Entscheidungen klaren Linien folgten, diese Verbindung legt das Kapitel übersichtlich offen.
Abgerundet wird das Buch durch ein knapp 30seitiges Gespräch mit Helmut Schmidt, dass in umfassender Form die Themen seines Lebens (und des Buchs) aufgreift und in seiner bekannt unnachahmlichen Form durchaus gewichtige Eindrücke des Menschen Helmut Schmidt durchscheinen lässt.
Ein in der Form, in Sprache und Stil, aber auch in den ausgewählten Themen und der inneren Struktur überaus gelungenes Buch. Nicht, dass Entscheidendes an der Person Helmut Schmidts zurecht gerückt wird oder fulminante neue Erkenntnisse im Raume ständen, aber durch viele Einzelheiten der freundschaftlichen Vertrautheit, durch Belichtungen von Zeiten, die bisher nicht im Blick der Öffentlichkeit gestanden haben und, vor allem, durch das entspannte und thematisch breite Gespräch am Ende des Buches wird Helmut Schmidt in seinen Funktionen und, in Teilen, seiner Person, doch noch ein Stück fassbarer. Dass dies alle in wunderbarer Sprache und leicht zu lesendem Stil vorliegt, ist bei der bekannt hohen sprachlichen Qualität Theo Storms fast selbstverständlich, will aber doch noch deutlich erwähnt sein.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-12-02)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.