Vor dem realen Hintergrund der Aldo Moro Entführung und der „Banda della Magliana“, die in den 70er- und 80er-Jahren ganz Rom und sogar weite Teile Italiens in Angst und Schrecken versetzte, zeigt diese von Kritikern hochgelobte italienische TV-Serie, den Aufstieg und Fall von Pietro, il Libano, il Freddo und il Dandy. 2006 erhielt „Romanzo Criminale – der Film“ unter der Regie von Michele Placido den begehrten italienischen Regiepreis „Nastro d’Argento“ für den besten italienischen Film (Nastro d'Argento al regista del miglior film), der seit 1946 vom italienischen Filmkritikerverband (Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani, SNGCI) vergeben wird. Michele Placido, der bekannte italienische Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, war dann auch der Berater bei der Umsetzung von „Romanzo Criminale – La Serie“, der Serie, unter der Regie von Stefano Sollima und spielt selbst als Vater von „Freddo“ (der Kalte) in einer Nebenrolle mit. Der eigentliche Held der Serie ist aber der von Marco Bocci verkörperte Commissario Nicola Scialoja, der es ganz wie Michele Placido in „Allein gegen die Mafia“ allein gegen die „Banda Della Magliana“ aufnimmt. Aber er ist nicht ganz allein, denn der Staatsanwalt (alter ego der Romanvorlage und des Drehbuchautors und späteren Richters Giancarlo De Cataldo) und sein Assistent helfen ihm bei dem aussichtslos scheinenden Kampf gegen die Mafia und den Staat.
Il Libano, il Freddo e il Dandy…
Natürlich spielt auch eine schöne Frau eine große Rolle, nämlich Daniela Virgilio in der Rolle der Edelprostituierten Cinzia „Patrizia“ Vallesi. Sie wird von Dandy geliebt, liebt aber eigentlich den Commissario - wenn eine Professionelle wie sie die Bedeutng dieses großen Wortes denn kennt. Ihr schönes Gift verströmte die Schauspielerin übrigens schon im Jahre 2000 in Claude Chabrols „Süßes Gift“, mit dem sie dann ihren internationalen Durchbruch erlebte. Die Reduktion der Hauptprotagonisten auf Il Libano, Il Freddo e Il Dandy ist natürlich eine klare Hommage an Sergio Leones „Il Buono, il brutto e il cattivo“, einen „Guten“ (Buono) wird man unter dem Trio infernale aber vergebens suchen. Zudem haben sie einen gewichtigen Gegenspieler, nämlich „Il Terribile“ („der Schreckliche“), der Verbindungen zur Mafia unterhält. Das Drehbuch beruht zudem auf dem gleichnamigen Bestseller des italienischen Richters Giancarlo De Cataldo und die TV-Serie wirkt wohl auch deswegen so realistisch, weil Michele Placido und De Cataldo als Berater mitwirkten.
Die wilden Siebziger
Rom, in den Siebzigern: Mit der Entführung des Barone Rosellini und einer Lösegelderpressung beschaffen sich die Kleinkriminellen il Libano, il Dandi, il Freddo und Bufalo, die Brüder Ciro und Aldo Buffoni ihr Startkapital für ihr „demokratisches“ Unternehmen „Banda Della Magliana“, denn alle die anwesend sind, haben ein Stimmrecht, auch wenn der Libanese zumeist alle anderen überstimmt. Magliana ist ein Nebenfluß des Tibers und Namensgeber des Viertels der 15. Stadtzone (del XV Municipio di Roma Capitale) Roms. Das „Startkapital“ investiert die Bande in den Kauf von Heroin, das sie sich vorerst über Il Terribile organisieren, dann aber über die Mafia. Innert kürzester Zeit übernehmen die Maglianesi dann die Kontrolle über ganz Rom, so dass selbst Zio Carlo (Capo des Syndikats, zio bedeutet „Onkel“) Respekt vor ihnen hat. Doch die Polizei ist ihnen immer dicht auf den Fersen und gerade bei der Reinwaschung des Drogengeldes in Prostitution und Casinoinvestitionen tut sich die Bande schwer, bis ihnen Zio Carlo Bauunternehmen anbietet. Aber auch der italienische Staat bekommt sein Fett weg, denn der mysteriöse Dottore Carenza und il Vecchio, besorgen eine ziemlich schmutzige Arbeit und behindern die Arbeit des einzigen Integren, Commissario Scialoja. Aber auch dieser wird erpressbar, weil er eine Schwester hat, die bei den linksradikalen Studenten ist und in Zeiten der Entführung Aldo Moros und der Brigate Rosse haben es die Linken nicht gerade leicht, sich des Terrorismusvorwurfs zu erwehren.
“Wir sind schon lange keine Kinder mehr“
Das besondere an Romanzo Criminale ist die Zeichnung der Charaktere. Eine meisterhafte schauspielerische Leistung liefert etwa Andrea Sartoretti als Bufalo ab, als er den geistigen und körperlichen Verfall eines Kokainomanen darstellt. Aber auch „Dandi“ (eigentlich englisch: Dandy, aber auf italienisch ausgesprochen Dandi, der aufgrund seines Kleidungsstils so genannt wird) der sich in seine Prostituierte verliebt, ihr Geschenke macht, sie als „seine“ Frau bezeichnet und dennoch wissen müßte, dass sie mit jedem ins Bett geht, der zahlt, ist ein Kapitel für sich. Patrizia spielt Dandy`s Frau, ohne dass ihn ihre plötzliche Veränderung argwöhnisch machen würde, erst als sie von seinen Freunden, Libano (auch: Libane) und Freddo, erpresst wird. Freddo, der Kalte, ist auch ein interessanter Charakter: erst spannt er seinem jüngeren Bruder, den er immer unterstützt hatte, seine Freundin Roberta aus, aber dann bereut er es gleichzeitig, versucht sich von ihr zu lösen, aber er es gelingt ihm nicht, was ihn immer noch nachdenklicher werden läßt. Von seinem schlechten Gewissen gegenüber ihrer Unschuld geplagt und von Libane‘s Paktiererei mit Mafia und Staat angewidert, wird er immer aufsäßiger, bis er sein Zeug packt und sich mit Roberta nach Südamerika absetzen will, doch dann kommt ihm am Ende der ersten Staffel doch noch etwas dazwischen: nämlich seine Loyalität gegenüber Libane (genial böse dargestellt von Francesco Montanari). Der brutalste der drei Kernmitglieder, der zugleich gewalttätig und charismatisch, die Geschicke der Bande leitet, wird an der Spitze der Macht immer einsamer und paranoider. Aber sein Größenwahn – für den ihn Freddo immer kritisierte – wird ihm dann auch bald zum Verhängnis.
“Nichts Genaues weiß man nicht“
Zusätzliche Brisanz erhält Romanzo Criminale – die Serie natürlich durch die Verquickung der Handlung mit real stattgefundenen Ereignissen, etwa auch der Explosion am Bahnhof von Bologna, der wahrscheinlich von Rechtsradikalen verursacht wurde. Dass der Staat diese Elemente teilweise unterstützt und auch mit der Mafia zusammenarbeitet wird zwar nicht explizit gesagt, jedoch mehr als nur angedeutet. Man darf also gespannt sein, wie sich der politische Ansatz der Serie in der zweiten Staffel entwickeln wird. Der Soundtrack des Films bietet außerdem zusätzliche Argumente „Romanzo Criminale“ zu einem Kritikerliebling werden zu lassen. Auch wenn die Musik manchmal aus einer anderen Dekade stammt (die Serie aber in den 70ern spielt), findet ein gelungener Einsatz statt, etwa Vasco Rossi, Patti Pravo, Franco Califano, Supertramp, Bronski Beat, Lando Fiorini, Pino Daniele, Orchestral Manoeuvres in the Dark, Commodores zum Zuge kommen. Besonders hervorzuheben ist hier vielleicht Franco Califano’s „Tutto il resto è noia“, das mit der Hochzeit von Scorcio und der Ermordung von Terribile gegengeschnitten wird, delikater Humor, man muss nur auf den Text hören, um zu verstehen, dass nicht nur hier die Ton-Bild-Schere richtig steppt und schnippt. Auch die Signation und die Musica finale der Serie („Repertorio Machiavelli“) haben was für sich. Die zweite Staffel mit weiteren 10 Folgen der Serie erscheint Anfang November ebenfalls bei Edel:Motion.
Romanzo Criminale - die Serie Staffel 1 (2008)
Regie: Stefano Sollima unter Mitarbeit von Michele Placido
Buch: Giancarlo De Cataldo
Italien: Warner Bros, Icon Film - UK,TF1 International
Edel Motion, DVD
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-10-21)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.