„Sandokan ist tot“ heißt es schon in der ersten Folge der italienischen Erfolgsserie vom Regisseur Sergio Sollima mit Kabir Bedi in der Titelrolle. Der britische Colonel Fitzgerald triumphiert schon in der ersten Episode „Der Eroberer“ in einer halsbrecherischen Seeschlacht über den aufständigen Widerstandskämpfer gegen die britische Kolonialherrschaft. Er ist fast enttäuscht, dass es so einfach gewesen ist den berüchtigten Piraten zu besiegen und tatsächlich konnte nur Verrat einen so tapferen wie schlauen Mann zu Fall bringen. Der Verräter, einem Judas gleich, richtet sich selbst, denn ein Malaie könne zwar seine Freunde verraten, aber nie sich selbst, wie auch die Engländer wissen. Aber natürlich ist Sandokan noch am Leben und er strandet in der zweiten Episode von „Sandokan – Der Tiger von Malaysia“ ausgerechnet bei der ostindischen Kompanie, wo ihn eine schöne Italienerin, Marianna, die Perle von Labuan, wieder gesund pflegt. „Was ist`Italienerin´?“ frägt Sandokan vom Krankenbett und sein Arzt antwortet ihm: „Es ist ein Land ähnlich wie das ihre, wo immer die Sonne scheint.“ Coleridge hatte wohl Recht, wenn er sagte, dass in jedem Eroberer auch ein großer Dichter stecke, so Fitzgerald. Der Statthalter Englands, James Brooke, der vermeintliche selbsternannte „König“ von Malaysien, ist fast traurig, als er vom Tod des Tigers von Malaysia, seinem größten Widersacher, erfährt, es scheint ihm sogar, als sei mit Sandokan auch ein Teil von ihm gestorben und so zitiert er Shakespeare`s „Richard II.“, denn auch Sandokan sei ein König gewesen. Fitzgerald kontert mit dem ColeridgeZitat. Eine gepflegte Unterhaltung zweier gebildeter Europäer eben.
Der Hintergrund der Serie ist mindestens genauso gebildet, denn die britische Kolonialherrschaft, die natürlich rein geschäftliches Interesse hegte und ihre Handelsbeziehungen abzusichern hatte, steht im Mittelpunkt von „Sandokan“ und spielt im Malaysien des 19. Jahrhunderts. Da dürfen gesellschaftliche Stelldicheins der Kolonialherren nicht fehlen und beim Geburtstag von Marianna, der Perle von Labuan, kommt alles zusammen was Rang und Namen hat. „Das muss sie sein, ich habe sie in meinen Fieberträumen gesehen. Der Name, den man ihr gegeben hat, stimmt: die Perle von Labuan.“, murmelt ein verwirrter Pirat, denn ausgerechnet in eine Feindin verliebt sich der Tiger von Malaysia. Sandokan ist nicht nur als Antwort auf die antikolonialistischen Befreiungsbewegungen der Sechziger zu verstehen, sondern auch als Geschichte über die Liebe, die über soziale und ethnische Grenzen hinweg zu ihrem Recht kommen will. Und auch Marianna prophezeit ein Inder, der weise alte Mann, dass sie besser im Hier und Jetzt leben sollte, statt immer etwas über die Zukunft erfahren zu wollen. Sandokans Arzt, ein bekennender Alkoholiker schenkt sich auf der Geburtstagsfete von Marianna selbst nach und meint auf die Frage wie es ihm gehe nur lapidart: „Ach was, alleine wie ein Hund, mit einem überdurchschnittlichen Durst ausgestattet und am Ende der Welt gestrandet, wer kann glücklicher sein als ich?“
Auf Mariannas Geburtstagsfest begegnen sich alle Protagonisten der Serie: Sandokan, Fitzgerald, Lord Dern und Marianna natürlich, die zwar Sandokan als Tanzpartner vorziehen würde, doch dieser verweigert sich ebenso, wie sie zuvor seinen Ring verschmähte, den er ihr aus Dankbarkeit für seine Genesung vermachen wollte. Ihre Blicke gelten währende des Tanzens aber nur ihm und nicht Fitzgerald, der sie am Arm durch den Ballsaal führt. So kann nur eine ganz große Liebe beginnen, zwischen der sich allerdings immer mehr Barrieren aufrichten. „Königin Victoria hat sogar die Stuhlbeine verhüllen lassen, damit sie keine sündigen Gedanken hervorrufe“, tuscheln die Kammerzofen und das ist auch ein Hinweis auf die malaysische Tracht, die Marianna beim Fest trägt: völlig bauchfrei, also ganz schön skandalös. Sandokan wird auf seiner Pirateninsel von seiner Mannschaft mit Salutschüssen begrüßt und sogar die Affen klettern vor Freude auf die Bäume, um Kokosnüsse für die Feier zu holen. Aber es wird wohl noch eine Weile dauern, denn selbst diese Erinnerung kann ihm die Gegenwart Mariannas nicht ersetzen und so kehrt er von seiner Flucht um und begibt sich wieder mitten in die Höhle des Löwen, der hier wohl eher ein Tiger ist. Denn auf geht`s zur Tigerjagd (Episode 3).
Und dann geht es wirklich auf Tigerjagd, aber auf einen wirklichen Tiger, ein Weibchen und die sind besonders gefährlich, wenn sie ihre Jungen beschützen wollen. „Was zählt ist der Mann, nicht die Waffe“ sagt der Bengale und sein Mut trotzt auch den englischen Eroberern einige Beachtung ab- Denn er will allein gegen die Tigerin kämpfen. „Aber nun ist der Traum vorbei und das Fieber zurückgegangen. Die Wirklichkeit ist eine andere“, so wendet sich Sandokan von Marianna ab. „Ein. Ring bedeutet bei Euch wohl ein Versprechen, bei uns tötet man einen Tiger für die Frau, die man liebt.“ Und als Marianna seine Liebe erwidert, stürzt sich auch Sandokan in die Tigerjagd. Gottseidankd gibt es davon gleich zwei, denn auch Fitzgerald versucht sich nun noch daran. Bald wird aus der Tigerjagd einen Menschenjagd, denn alle wollen den wirklichen Tiger, Sandokan, erlegen, doch Totgesagte leben nun einmal länger. So auch Sandokan.
Koch Media präsentiert die beiden Fernsehereignisse „Sandokan – Der Tiger von Malaysia“ und „Die Rückkehr des Sandokan“ erstmalig in einer Sammleredition (10 DVDs). Die Vorlage zu den hier erstmals als komplette Sammleredition vorliegenden Verfilmungen stammt von Emilio Salgari, der als „italienischer Karl May“ auch in Deutschland Erfolge feierte. Die DVD-Extras: Kinotrailer, Featurette „Sandokans Abenteuer“ mit Regisseur Sergio Sollima (ca. 59 Minuten), Interview mit Darsteller Mathieu Carrière (ca. 23 Minuten), Super-8-Version (ca. 62 Minuten), Erster Teil des Weihnachtsmehrteilers „Das Gesetz der Wüste“ mit Kabir Bedi (ca. 100 Minuten), Outtakes (ca. 2 Minuten. Ein Abenteuer für die ganze Familie.
Koch Media
„Sandokan – Der Tiger von Malaysia“/„Die Rückkehr des Sandokan“
690 Minuten plus 100 Minuten Extras
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-05-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.