„Sie sind erst zwanzig Jahre alt und sie werden noch oft wählen müssen, zwischen dem Unrecht und dem Recht, zwischen der Lüge und der Wahrheit, zwischen dem Guten und dem Bösen. Und jedes Mal werden Sie die Antwort in sich selber suchen müssen. Und wenn das Wenige, das ich Ihnen dabei habe beibringen können, Ihnen helfen kann, dann weiß ich, dass auch mein Leben nicht ganz unnütz gewesen sein kann“, ermahnt der Geschichtelehrer Fletcher (Gian Maria Volonté) seine Schüler bei seiner Abschiedsrede. Und was sich anhört wie ein Bekenntnis zum Kant‘schen Erziehungsideal, dem berühmten „Sapereaude!“, dass nämlich letztendlich jeder seine eigene Vernunft und sein Gewissen zum Gradmesser seiner Entscheidungen und Handlungen machen muss, entpuppt sich alsbald als Handlungsanleitung zur diktatorischen Machtergreifung eines megalomanischen Usurpators, der schließlich selbst durch die Hand seines Lehrers fallen wird. Wissen befähigt eben auch zur Deutungsinterpretation und das kann durchaus sehr eigennützig sein, in einem Land, in dem dem Ehrgeiz des Einzelnen keine sozialen oder politischen Grenzen gesetzt werden.
Die Wilde Horde
Fletcher muss seine geschützte Heimat New England aus gesundheitlichen Gründen verlassen und wird auf der Reise nach Texas von dem flüchtigen Banditen Beauregard Bennet (Tomas Milian) gekidnappt. Der Anführer der „Wilden Horde“, Bennet, flüchtet mit seiner Geisel in die Berge, wo er in einem Banditendorf seine Bande neu zusammensetzen will. Aber dafür braucht er nicht nur Geld, sondern er muss auch einige seiner alten „Horde“ aus dem Gefängnis befreien. Zudem gibt es einen Verräter (in der Rolle von Charley Siringo: William Berger) in den eigenen Reihen, ein Mann, der von der Detektivagentur Pinkerton eingeschleust wurde, um die Diebeshöhle endgültig auszuräuchern. Die psychologische Einfühlsamkeit des Regisseurs sorgt für eine bahnbrechende dramaturgische Entwicklung des Dreiergespanns Bennet-Fletcher-Siringo, denn die drei Hauptfiguren verhalten sich am Ende ganz so, wie es das griechische Drama verlangt: Peripetie!
Der feine Unterschied
„Wir tun beide dasselbe, das stimmt, aber mit einem feinen Unterschied: Ich weiß, was ich tue“, antwortet Fletcher auf den Vorwurf der Mätresse Bennets, dass er sich zum schlechten verändert habe, denn als Bennet in Gefangenschaft gerät, übernimmt der Geschichteprofessor bereitwillig die Rolle des Banditenführers, was allerdings alsbald schreckliche Konsequenzen für die Bewohner des Banditendorfes hat. „Hört ihm zu, auch wenn ihr ihn nicht versteht“, warnte Bennet seine Getreuen schon vor dessen usurpatorischer Machtübernahme und ecce homo, wehe dem: wer Macht bekommt, kann noch lange nicht damit umgehen und so muss am Ende doch Bennet die Ordnung der Dinge wieder herstellen, wobei ihm Siringo sogar hilft. Denn am Ende sind alle wieder an ihrem Platz und der Geschichtelehrer in seinem wohlverdienten Grab.
Der international ausgezeichneter Italo-Western „Faccia a Faccia“ von Sergio Sollima kann nicht nur einen für das Genre so wichtigen Ennio-Morricone-Soundtrack, sondern auch drei hervorragende Schauspieler des Genres für sich verbuchen. Als Doppel-DVD mit umfangreichem Booklet inkl. Bonus-DVD mit Extras (24-stg. Booklet mit Informationen zu Film und Darsteller, Dokumentation über den Film mit Interviews (Sergio Sollima, etc.), Diverse Trailer und Vorspänne zum Film, Super-8-Fassung des Films (ca. 33 Minuten), Fotogalerie) gibt Al!ve Explosive Video diesen Edelwestern auch ein würdiges Format für Liebhaber und Sammler, denn die Edition lässt sich wirklich sehen. 107 Minuten spannende Unterhaltung in Deutsch-Englisch-Italienisch erwarten den Westerfan in diesem Luxus-Fan-Package. Außerdem wird in dem reich bebilderten Booklet noch die Geschichte des Westernsoundtracks von Ennio Morricone nacherzählt, wirklich wertvoll für alle Liebhaber des Genres. http://www.alive-ag.de/index.php?page=artikel&ArtikelNr=6413925
SOLLIMA, SERGIO
VON ANGESICHT ZU ANGESICHT (DOPPEL-DVD),
Faccia a Faccia, 1967
Al!ve Explosive Media
Italo-Western
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2012-10-21)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.