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David Smith - Wirtschaftswissen leicht serviert
Buchinformation
Smith, David - Wirtschaftswissen leicht serviert bestellen
Smith, David:
Wirtschaftswissen leicht
serviert

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(Bücher frei Haus)

Der Hamburger Murmann Verlag nimmt den Mund voll: Was ein Wirtschaftsredakteur von der Sunday Times in London unter dem bescheideneren Titel „Free Lunch - Easily Digestible Economics“ vorgelegt hat, sei, trompetet unter einem Teller samt Besteck ein deutscher Untertitel, „die perfekte Einführung“ in die Welt der Wirtschaft. Das ist sie nun leider nicht, wenn auch keine schlechte.

David Smiths Originaltitel spielt auf den Satz „There ain’t no such thing as a free lunch“ an, „alles hat einen Preis“ in Deutsch etwa, den - erstaunlicherweise erst im Jahr 1966 - der Science-Fiction-Autor Robert A. Heinlein bekannt gemacht hat, der seither aber, so jedenfalls die Verlagswerbung fürs englische Buch, zu dem einen Satz aus der Welt der Wirtschaft geworden ist, den jeder schon kennt. In der englischsprachigen Welt, in der deutschsprachigen ist dieser Satz nicht ganz so volkstümlich geworden. Wie auch nicht die an ihn geknüpfte Überzeugung, alles und jedes habe exakt den Preis, den es tatsächlich in diesem Moment wert ist. Das sei die verborgene Vernunft des freien Marktgeschehens, dass es zu jeglicher Nachfrage, die irgendjemand sich vorstelle, sogleich auch ein Angebot schaffe und der Preis die exakte Stelle beziffert, wo der Nutzen einer Wirtschaftstransaktion für sowohl Anbieter wie für den Käufer optimal ist.

Wer jemals einen Hauch volkswirtschaftlicher Theorie geschnuppert hat, sagt Adam Smith, seine unsichtbar ordnende, den Wohlstand der Nationen herbeiführende Hand. Klar, der schottische Aufklärungstheoretiker ist für David Smith (Jahrgang 1954) immer weiter der bedeutendste Wirtschaftsdenker aller Zeiten. Somit erster Gast an unserer Tafel. Das nämlich ist Running Gag des Buchs, zu tun, als würden die Leser Platz nehmen für ein Menü in einem Luxusrestaurant, bei dem sich - Gang für Gang - die Vordenker der Wirtschaftslehre als Referenten einfinden. Vom Aperitif, über die Hauptgänge bis zu Nachtisch und Kaffee trägt David Smith die Hauptfragen der Wirtschaftstheorie hier als „Gänge“ auf.

Ach, die angelsächsische Welt, so lässig und lebenspraktisch! Will man ausrufen, aber Moment, hier stolpern wir über die erste von mehreren Schwächen des Buchs! Das in Wahrheit überhaupt nicht populistisch oder poppig oder cool ist, sondern manchmal eher etwas zu theorieverklausuliert oder auch snobistisch in seiner Faszination für Bizarres, wenn auch nicht so Wichtiges. Die Sache mit diesem Lunch, welche die Originalausgabe ja nicht forcierte, die doch eher dem Marketing des deutschen Verlags geschuldet ist, entpuppt sich als recht oberflächliche Masche. Zu Beginn jedes Kapitels erinnern einige, wenige Sätze jeweils an den „Rahmen“ (Luxusdiner, Tischgesellschaft), dann geht die Hörsaalvorlesung von David Smith aber wieder weiter. Trocken, sachlich, sicher.

Zitat:

Jedes Restaurant, das etwas auf sich hält, würde es sich womöglich zweimal überlegen, ob es Marx Zutritt gewährt. Mit seinem spektakulären Rauschebart, grauscheckig und buschig, wurde er in Karikaturen als Prometheus dargestellt. Modernen Betrachtern käme er vermutlich eher wie ein Vagabund vor. Sein Spitzname im Familienkreis war „Mohr“ wegen seines wilden Äußeren.

Die wissenschaftlichen Diagramme erspart uns Smith, gleichfalls unverstehbare Zitate aus den Werken der Fachautoritäten. Ebenso gibt es keine Literaturliste und keine Anmerkungen, dafür am Ende ein Themen- und Personenregister sowie einen Katalog von Begriffserklärungen. Und zwischen den Kapiteln kommen immer so kleine Zeichnungen von Tischen und Speisen, als handelte es sich um ein kulinarisches oder komisches Buch. Das war’s aber. Kein Geplänkel, kein Konversationston. Smiths Darstellung kann man mit dem Begriff „locker“ kaum kennzeichnen, „verschult“ trifft es doch eher.

Zitat:

Aufgrund dieser Steuerkomplikation unterscheiden Wirtschaftswissenschaftler gewöhnlich zwischen dem Bruttoinlandsprodukt zu „Marktpreisen“ also den Preisen, die tatsächlich gezahlt werden - und dem BIP zu „Faktorkosten“, womit die gleichen Preise abzüglich des Steueranteils gemeint sind. Der Unterschied zwischen den beiden Werten ist einfach der Betrag an indirekten Steuern, mit anderen Worten BIP zu Marktpreisen minus indirekte Steuern ist gleich BIP zu Faktorkosten.

Dem Team einer der bekannten Zeitungen am Weltbörsenplatz London angehörend hat Smith den Bezug zu, in Deutschland nicht gar so präsenten, „Klassikern“ (neben Adam Smith, Marx und Keynes) wie Robert Malthus, David Ricardo, John Stuart Mill griffbereit. Unvermeidlich anschließend die Gegenüberstellung der beiden großen Antagonisten des zwanzigsten Jahrhunderts. Auf der einen Seite der Engländer John Maynard Keynes, nachfrageorientiert, den Staat zu Marktkontrolle und ermunterndem „Deficit Spending“ animierend. Auf der anderen Seite ein auf Angebotspolitik setzender Amerikaner: Milton Friedman (und seine „Chicago Boys“), demgemäß alle sozialpolitischen Wohltaten immer nur fehlgehen, der dem Staat keinen Eingriff in die Wirtschaft außer der Steuerung der Geldmenge zubilligt.

Nachdem Keynes der Säulenheilige der dreißig fast-goldenen Jahre davor gewesen war, hat sich seit der Freigabe der Wechselkurse und dem Ölpreisschock Mitte der siebziger Jahre für die folgenden 30 Jahre die Friedman-Fraktion, also der Neoliberalismus, rund um die Welt durchgesetzt. Erst bei Margaret Thatcher („There is no alternative!“) und Ronald Reagan, schließlich auch bei vormaligen Sozialisten wie Tony Blair und Gerhard Schröder. Und selbst, was Wolfgang „isch over“ Schäuble einer seit den Wertpapierimplosionen von 2008 bis 2011 kaum noch zu rettenden Volkswirtschaft wie derjenigen Griechenlands so an Gürtel-enger-Schnallen, Deregulieren, Privatisieren und „Sparen“ vorschreibt, ist noch immer die Lehre des Nobelpreisträgers Friedman.

Als Redakteur einer britischen Wirtschaftszeitung fühlt David Smith sich selbstverständlich der marktliberalen Richtung zugehörig. Geschenkt, wir brauchen keinen Sozialismus, um dieses Buch lesenswert zu finden. An Fairness und Sportskameraden-Respekt für die Sturmspitze des gegnerischen Teams mangelt es ihm nicht. Ein getarntes Missionierungstraktätchen für die nächsten Arbeitsmarkt-„Reformen“ oder Spekulanten-Befreiungsbeschlüsse steht ebenfalls nicht auf der Agenda.

Schlicht ein bisschen veraltet ist „Wirtschaftswissen leicht serviert“ allerdings mittlerweile, die deutsche Ausgabe jedenfalls, die englische wurde seither noch mal verändert. Der Autor steht immer noch im Bann der New-Labour-Ära der ersten Jahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts, weiß noch nichts über eine drohende Finanzblase, zieht an keiner Stelle eine radikale Erschütterung der westlichen Ökonomien in Erwägung, wie sie 2007 und 2008 in den USA Realität wurde. Und was immer mal irritiert: Ohne sich dazu zu äußern, haben Verlag und Übersetzer das Buch einer zurückhaltenden Transposition in deutsche Euro-Zone-Gegebenheiten unterzogen. Aber nur manchmal, keineswegs immer. Da wird Bezug genommen auf Finanzminister Eichel und dessen Beschlüsse oder werden deutsche Eckdaten des Sozial-, Steuer- und Finanzsystems stillschweigend als maßgebliche Summen zitiert, dann wiederum liest man seitenlangen Text über den englischen Schatzkanzler und warum er was wann geändert hat. Kein einziges Wort davon, was jenseits des Kanals sich derweil tat.

Ist Smiths Wirtschaftswissen auch vielleicht „leicht serviert“, nicht auf jeder einzelnen Seite dagegen „leicht zu lesen“, man muss ertragen können, durch die eine oder andere Seite ganz einfach mal nicht durchzusteigen, so ist es im Großen und Ganzen doch sachlich und fair, kundig und hilfreich, fast immer auch verständlich. Ein apartes, raffiniertes Kulinarik-Event ist es nicht, eher eine dauerhafte Packung Schwarzbrot. Das bitterste Tröpfchen Digestif, das noch erwähnt werden muss, kam Jahre hinterher. Im Jahr 2013 veröffentlichte unter dem Titel „Der Sieg des Kapitals“ Smiths Wirtschaftsjournalisten-Kollegin Ulrike Herrmann von der Berliner taz ein Buch, das nahezu in jeder Beziehung ein bisschen besser funktioniert. Ihres ist lockerer, unterhaltsamer, einfacher verständlich, hat auch die Krisenerfahrung von 2008 bereits eingebaut - und ist dabei nicht weniger fundiert und informativ. Allerdings: Herrmann ist Keynes-Gefolgsfrau, Smith Marktliberaler; bei manchem wird das die Leseentscheidung beeinflussen.

[*] Diese Rezension schrieb: Klaus Mattes (2016-09-03)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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