Nach rund zwanzig Jahren meldet sich Gerhard Seyfried mit seinem Zwille zurück. Die Figur wirkte schon in der linken Szene im Berlin-Kreuzberg der 70er und 80er Jahre und nun ist er wieder mit einem neuen Abenteuer da: „The Law returns to Kreuzberg“.
Zwille und McÖko
Zwille, der als Comicfigur schon länger arbeitslos ist, wohnt mit seinem Latzhosen-Freund McÖko im letzten besetzten Haus im (fast) total gentrifizierten Berlin-Kreuzberg, dem ehemaligen Zentrum der linken Hausbesetzerszene der 80er. Aber auch dieses Haus wird nun von der Polizei geräumt, und so sind auch sie obdachlos, was sie kurzerhand auf die Idee bringt in die leerstehende Villa ihres Schöpfers, Seyfretti, einzuziehen und dort den Kühlschrank zu leeren und die eifrig gesammelte Polizeiabzeichen-Kollektion ihres Schöpfers und Erfinders zu stehlen und zum Verkauf anzubieten. Doch die einzigen die sich dafür interessieren sind die Talentsucher des GNA-Syndikats, der Graphic Novel Authority, die 99% des Comicmarktes beherrscht. Sie brauchen nämlich dringend einen „coolen Influencer“. Diese werden noch dazu unterstützt von Senator Schmarotzke, der im Wahlkampf die Gentrifizierung als Segen für ganz Berlin darstellen will. Auch wenn Gerhard Seyfried, der seit 1976 in Berlin lebt, kein echter Bärliner ist, merkt man doch seine Sympathie für die Mauerstadt, die einst das letzte gallische Dorf war, das dem Imperium trotzte.
Berlin nach dem Mauerfall
Seyfretti, der in Italien den letzten freien Comic-Verlag Fumetti Seyfretti führt, sozusagen das Alter Ego des Autors, lebt ganz mondän in einer Villa in Wannsee mit einer Statue von Conte Carosello Rondello, dem Erfinder des Kreisverkehrs. In Kreuzberg gibt es eine Onanienstraße (statt Oranien) und die olde Molotow-Cocktail-Bar ist von feiernden Aussies besetzt. Tours durch Kreuzberg heißen Sightdrinking Tours und das Bethanien (Ton Steine Scherben: „Das ist unser Haus“) ist ein Luxushotel. Die PDF von Senator Schmarotzke ist genauso korrupt wie Dr. Schmier-Lavier der CDU oder die Semi-Sozialoide Partei Deutschlands. Selbst das Brandenburger Tor wird vermarktet: als Grand Hotel auf der Quadriga. Aber dass sich Zwille für die Screw-Jeans („one size fits all“) vor den Marketing-Sparren spannen lassen, das passt Seyfretti ganz und gar nicht. Schließlich gehören Zwille und McÖko doch ihm!
Ein lustiges neues Abenteuer des beliebten Berliner Anarchisten, das den Nerv der Zeit trifft.
Gerhard Seyfried
Zwille. The Law returns to Kreuzberg.
2018, 64 Seiten, Hardcover
ISBN: 9783946778066
Fifty-Fifty Verlag
16,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2019-01-24)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.