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Jean-Luc Seigle - Der Gedanke an das Glück und an das Ende
Buchinformation
Seigle, Jean-Luc - Der Gedanke an das Glück und an das Ende bestellen
Seigle, Jean-Luc:
Der Gedanke an das
Glück und an das Ende

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(Bücher frei Haus)

Mehr als 80 000 Mal ist das erste auf Deutsch erschienene Buch des französischen Schriftstellers und Drehbuchautors Jean-Luc Seigle in Frankreich verkauft worden. Hat man es ganz bis zu Ende gelesen, versteht man auch warum. Denn es rührt an etliche in Frankreich gut gehütete politische und gesellschaftliche Tabus, unter anderem den Krieg in Algerien und die in Frankreich sehr umstrittene Rolle der französischen Armee im Kampf gegen Nazideutschland und die in dem Zusammenhang oft lächerlich gemachte Bedeutung der Maginot-Linie.

Der Roman spielt an einem einzigen Tag und reflektiert die Geschichte der Familie Chassaing. Der Vater Albert, dessen schreckliche Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg nie wirklich von Bedeutung waren und der sich schon seit langem ins Schweigen und die Scham geflüchtet hat, arbeitet in der Stadt in den Reifenwerken von Michelin und kümmert sich in seiner Freizeit um Haus und Garten. Seine Frau Suzanne verändert sich schon seit einiger Zeit, das spürt Albert. Auch, dass sie sich immer weiter von ihm entfernt. Genau an dem Tag, dem 9. Juli 1961 geschehen in dieser Familie viele entscheidende Dinge. Suzanne verliebt sich in den Postboten und schläft mit ihm in einer leidenschaftlichen Begegnung am See. Der jüngere Sohn Gilles, eine Leseratte, der sich gerade mit Balzac Eugenie Grandet befasst, wird zum ersten Mal von seinem Vater zu einem pensionierten Lehrer in der Nachbarschaft gebracht, Monsieur Antoine. Der soll ihm das geben an Teilhabe an der intellektuellen Welt, was Albert nicht leisten kann.

Gegen Abend, Suzannes sexuelles Erwachen ist schon geschehen, Gilles war schon das erste Mal bei Antoine, kommt der Fernsehapparat ins Haus, der erste in im ganzen Dorf. Suzanne hat ihn bestellt und wie bei allen Neuanschaffungen auch schon einen Termin beim Fotografen gemacht. Sie hat ihn bestellt, weil an diesem Abend eine Reportage aus Algerien gesendet wird, bei der, wie sie durch Briefe erfahren hat, ihr ältester Sohn Henri interviewt wird.

Und Albert, der in vielfacher Hinsicht Beschämte, trifft eine Entscheidung, die nicht nur ihn erlösen wird, sondern auch seinen Sohn Henri, den er so gerne vor der Erfahrung bewahren möchte, unter der er sein Leben lang gelitten hat, vom Kriegsdienst wieder nach Hause bringen soll.

Sein Sohn Gilles wird ihn finden und es wird ihn von einem auf den anderen Moment erwachsen werden lassen. Fünfzig Jahre später wird er als sechzigjähriger Literaturprofessor in einer Vorlesung einen Exkurs halten über die Bedeutung der Maginotlinie und damit nicht nur seinem Vater Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Jean-Luc Seigle, der in Frankreich auch als Autor von Thrillern bekannt wurde, hat mit diesem Buch ein einzigartiges Porträt einer Familie gezeichnet im gesellschaftlichen Umbruch eines ganzen Landes. Die Moderne scheint an einem einzigen Tag in eine Nachkriegswelt einzubrechen, die lange aus ihren Tabus und Regeln gelebt hat, die aber über kurz oder lang vergehen und Neuem weichen wird.

Es sind die stellenweise poetischen Beschreibungen der Gefühlswelten von Albert, Suzanne und dem jungen Gilles, die den Leser gefangen nehmen. Und das ganze Buch ist in der Person von Gilles, der es mit einer engagierten Vorlesung beschließen wird, eine Hommage an die Literatur, insbesondere an Balzac und ihre rettende Kraft.

Jean-Luc Seigle, Der Gedanke an das Glück und an das Ende, C.H.Beck 2014, ISBN 978-3-406-66755-8

[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-08-19)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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