Hauptsache man ist authentisch. So beschreibt der Historiker und Kunsthistoriker Christian Sehrendt in seinem Buch „Gefühlige Zeiten“ die Stimmung im Lande. Nicht erst seit gestern, sondern seit einer geraumen Zeit schon. Er bemüht zur Unterstreichung seiner These, dass wir in Gesellschaft und Kultur in einer Zeit der Neo-Romantik leben, mit unzähligen Texten aus der Popmusik, der Literatur und einer Vielzahl eigener kulturwissenschaftlichen Betrachtungen und Reflexionen.
Er führt diese „zwanghafte Sehnsucht nach dem Echten“ zurück auf eine zunehmende Entfremdung angesichts der riesigen Komplexität unserer globalisierten Welt. Seine Sprache allerdings, die er benutzt, ist alles andere als romantisch. Sie nimmt den Leser mit auf spannende Reisen durch unser Land und seine Mainstreams.
Was mir bei aller Freude und allem Erkenntniszuwachs bei der Lektüre aber gefehlt hat, ist eine aus allen Einzelbeobachtungen schlüssig formulierte Beweisführung, warum er so viele Ähnlichkeiten mit der klassischen Romantik sieht. Genauere Vergleiche etwa von Liedtexten, Bildern, Theaterstücke etc. hätten da vielleicht weitergeführt.
Und so ist das Buch angenehme Unterhaltung, aber kein sozialwissenschaftlicher Wurf.
Christian Sehrendt, Gefühlige Zeiten, Dumont 2015, ISBN 978-3-8321-9790-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-11-11)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.