„Vielleicht ist keine Übertreibung, wenn man Dantes Entwurf eines wohlgeordneten Jenseits, wo Strafe und Belohnung klar geregelt sind und endlich eine höhere Gerechtigkeit obsiegt, als geniales Gegenbild zu seinem eigenen dramatischen Schicksal liest“, schreibt Maria Antonietta Terzoli in ihrem Beitrag zu William Blakes Illustrationen von Dante Alighieris Werk. Der Vertreter und Apologet von Florenz war aufgrund politischer Fehleinschätzungen gezwungen, seine so sehr geliebte Heimatstadt bis zu seinem Tode (1321) nicht mehr zu sehen, da er aus ihr schon 1302 – im Alter von 37 Jahren - verbannt worden war. Aber in seinem unverschuldeten Exil schrieb er die Divina Commedia für die man ihn heute noch kennt, obwohl deren Titel eigentlich von Bocaccio stammte, der – selbst ein wichtiger Dichter – auch zum ersten Biografen Dantes geworden war, auf den man sich heute noch bezieht, weil von Dante selbst keine Autografen oder ähnliches mehr existiert. Antike und „Moderne“
Die Reise durch das Inferno, Purgatario und das Paradies wird in 14.233 Versen und hundert Gesängen beschrieben. Dabei spielt besonders die Dreierstruktur und auch der antike Dichter Vergil, der quasi die Erzählkunst an den „modernen“ Dichter Dante weitergibt, eine tragende Rolle. Dante begegnet – quasi von Vergil an der Hand genommen – den wichtigsten Dichtern der Antike, Homer, Horaz, Ovid, Lukan, aber auch anderen antiken Gestalten wie Minos, Cerberus, Pluto und Phlegias, Kentauren und Harpyien. Aber er begegnet auch den berühmtesten Liebenden: Kleopatra, Helena, Paris, Dido und der tragischen Geschichte von Paolo und Francesca. Im Paradies schließlich verlässt ihn Vergil und Beatrice begleitet ihn ans Ziel. „Wie einem, der träumend etwas sieht, wovon ihn beim Erwachen nur mehr die Erregung bleibt, das übrige aber nicht mehr wiederkehrt, so geht es mir, denn meine Vision hat sich nahezu aufgelöst, aber noch spüre ich im Herzen Tropfen des Entzückens das sie mir bereitete. So löst der Schnee sein Siegel in der Sonne; so verlor sich Wind der Spruch der Sibylle auf den Blättern“, heißt es im berühmten 33. Gesang, in dem Dante Gott begegnet. Moderne und Beyond
Der „sozialrevolutionäre Utopist, esoterische Mystiker und visionäre Prophet“ William Blake (1757-1827), wie ihn Sebastian Schütze in vorliegendem Band tituliert, widmete den größten Teil seiner Illustrationen dem „Inferno“ (72), während das Purgatorio mit 20 und dem Paradiso sogar nur 10 gewidmet werden. William Blakes Zeichnungen befinden sich eigentlich in sieben verschiedenen Institutionen, aber die vorliegende TASCHEN-Edition hat sie alle unter einem Buchdeckeldach vereint. Weiters werden Arbeiten von Sandro Botticelli, Michelangelo, Eugène Delacroix, Gustave Doré und Auguste Rodin zum Thema abgebildet und ausführlich erläutert. 14 Klapptafeln machen auch kleinste Details sichtbar.
„Trotz ihres hohen Alters hat die Divina Commedia nichts an Aktualität verloren und vermag bis heute, den Leser zutiefst zu berühren: Obwohl Ort und Zeit für den heutigen Leser nicht fremder sein könnten, sind die Geschichten und Leidenschaften der handelnden Figuren so aktuell und spannend, dass sie zur Metapher für universelle Gefühle werden“, fasst Maria Antonietta Terzoli den Anspruch des Werkes treffend zusammen. Der Versuch die antike mit der christlichen Welt zu verbinden machte Dante’s Divina Commedia auch zu einem Grundstein des europäischen Gedankens, da sich gerade auf diesen beiden Säulen Europa auch aufbaut.
Sebastian Schütze, Maria Antonietta Terzoli
William Blake. Die Zeichnungen zu Dantes Göttlicher Komödie. Visionen von Himmel und Hölle. Zum 750. Geburtstag von Dante: William Blakes Zeichnungen zur Göttlichen Komödie
Hardcover, in Leinen gebunden, mit 14 Ausklappern und Leseband, 28,5 x 39,5 cm, 324 Seiten
TASCHEN Verlag, € 99,99
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2015-03-26)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.