Die Protagonistin verrät ihren Namen nicht. Sie sitzt auf der Couch, die sie vom Sperrmüll hat und blättert in einer Fernsehzeitung der letzten Woche, und es ist der Tag, an dem sie aufgibt, einmal Philosophieprofessorin zu werden. Sie ist nicht nur eine gescheiterte Philosophin, sondern auch eine gescheiterte Frau.
Stückweise erfahren wir, wie es dazu kommen konnte. Zuerst zieht die Ich-Erzählerin zusammen mit ihrem Freund Rüdiger in eine gemeinsame Wohnung, Hochhaus, 17. Stock, und Ulla, die gerade auszieht, verknallt sich in Rüdiger, aber Dieter -Ullas Exfreund - mag die Erzählerin, die noch gar nicht weiß, wen sie lieber mag. Und dann ist da noch Erich, der ebenfalls für Verwirrung sorgt. Doch der Plot rückt alles wieder zusammen, wenngleich die als Epilog getarnte letzte Geschichte abermals einen Riss verursacht, den man an dieser Stelle schon nicht mehr erwartet.
Achtung, Studienzeit mit Pannen ist keine Dissertation, im Gegenteil, denn obwohl Kant, Hegel und Schopenhauer ihre Spuren hinterlassen haben, erklärt Sabine Scholz mit „nach innen gerichteten Sätzen, einem implodierenden Schreibstil” episodenhaft das Leben einer Studentin. Sie baut Aphorismen wie sie den Witz gebraucht, ihre Sprache ist verständlich und zeitnah und gar nicht das, was man gewöhnlich von einer angehenden Philosophin erwartet.
Studienzeit mit Pannen ist ein Lesebuch, die 13 Geschichten - vor 12 Jahren geschrieben, „besitzen nun die nötige Reife.” Jede einzelne Geschichte ist das Nacherzählen von Missgeschicken und Gefühlen, besser, es ist ein Blick ins Innere. Das Auge wird zum Objektiv. Scholz bedient sich eines Stils, den man in der Literatur leider zu oft vermisst und sie schafft es, mehr oder minder alltägliche Dinge sophistisch zu berichten, sie gibt der Alltäglichkeit ein neues Gesicht. In der Geschichte Benzol findet die Erzählerin selbst den monotonen Anblick des Kohlekraftwerkes schön, „weil es so katastrophal war, ohne dass man es merkte.” Zwar musste sie „zweitausend Jahre Moral unterdrücken”, um ihrem Freund Rüdiger nach einer Nacht mit Dieter „gelassen entgegentreten zu können”, doch sie arrangierten sich alle drei und wir erfahren: „Immer, wenn Dieter mir etwas antat, flüchtete ich mich in Rüdigers Arme. Ich machte in beiden Wohnungen sauber und ging für beide Männer einkaufen. Abends aßen wir alle drei zusammen Abendbrot. (...) Sie teilten sich die Zeitung untereinander auf. Rüdiger bekam den Lokalteil, während Dieter den politischen Teil las.” Und ohne ins Detail zu gehen legt die Autorin empfindliche Stellen frei, scheinbar amoralisch, immer zwanglos, und es sind vermutlich sezierte Stücke ihrer Biographie, weil man solche Sätze nur schreiben kann, wenn man sie gelebt hat. Ort und Zeit bleiben deshalb nebulös im Hintergrund.
Insgesamt ist das 105-Seiten fassende Erstlingswerk von Sabine Scholz empfehlenswert und die Zeit beim Lesen vergeht, „als ob sie jemand in Reagenzgläser füllt.”
Studienzeit mit Pannen
Geschichten von Sabine Scholz