Peter Scholl-Latour hat die Krisengebiete dieser Welt bereist wie kaum ein anderer. Durch seine eigene, sehr bewegte Biographie ist es ihm immer wieder gelungen, in verschiedene, für uns Mitteleuropäer verborgene Kulturkreise einzutauchen. Sehr früh brachte ihn seine militärische Karriere über die alte Kolonialmacht Frankreich nach Indochina und später eröffnete ihm das Studium einen exzellenten Zugang in die arabisch-islamische Welt. Ein Mann, der nunmehr sechzig Jahre die Welt als politischer Journalist bereist, hat natürlich auch aus der historischen Perspektive etwas zu sagen zu den Versuchen der USA, ihre Stellung als Supermacht zu konservieren. Da ist ein Buch, das auf die Zeit eines George W. Bush mit seinen großen Irrtümern gemünzt ist, dem Verdacht ausgesetzt, in der Amtsperiode eines Barack Obamas nicht mehr ganz a jour zu sein. Wäre da nicht das phänomenal Archiv eines Peter Scholl-Latour.
Die Gliederung des im Jahr 2006 erschienen Buches macht deutlich, dass Scholl-Latour sich bei der Analyse der äußerst prekären hegemonialen Lage der USA für die historische Dimension entschieden hat. Es fällt auf, dass die beiden herausragenden Kapitel sich mit Korea und Vietnam befassen, während die Auseinandersetzung mit dem Irak eher wie ein Appendix wirkt. Was aus Aktualitätsbezogenheit zunächst als Nachteil wirken könnte, entpuppt sich jedoch bei der Lektüre als ein unschätzbarer Vorteil.
In dem ihm eigenen Stil verbindet der Autor eine aktuelle Reise mit dem ständigen Verweisen auf frühere Erlebnisse in den gleichen Ländern. Was feuilletonistisch wirkt, ist eine historische Vielschichtigkeit, die nur wenigen Historiographen gelingt. So erfahren wir sehr viel über die Komplexität des Korea-Konfliktes, von der hegemonialen Rolle Chinas, dem insurrektiven Potenzial im Norden sowie die gleichzeitige Skepsis beider Seiten, Süd wie Nord, angesichts der Erfahrungen in Deutschland, die von dort sehr genau beobachtet wurden. Entscheidend jedoch ist das Ausbleiben der Lehren innerhalb der USA aus der Kriegsgeschichte, dort wie in Vietnam. Auch in diesem Kapitel blitzen viele Details aus dem furchtbaren Krieg gegen den Vietkong auf, aus dem die USA genauso ramponiert herausgingen wie sie aus dem Irak herausgehen werden.
Eine Frage, die sich in kritischer Hinsicht auf das in historisch-dokumentarischer Hinsicht ungemein lesenswerte Buch stellen lässt, ist die, ob die tendenzielle Reduktion auf die kriegstaktische Dimension amerikanischen Handelns als hinreichend erachtet werden kann. Sowohl Ökonomie als auch Bündnispolitik sind Dimensionen, die das Wesen der Supermacht USA im 20. Jahrhundert ebenso ausgemacht haben wir das Militärische, und es sind auch die Kategorien, die über die Zukunft in erster Linie entscheiden werden. Dennoch ein lesenswertes Buch für alle, die den historischen Bezug als unabdingbar erachten.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-02-07)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.