Sie gehören seit vielen Jahren aus ihren unterschiedlichen Professionen und Funktionen heraus zu den profiliertesten und engagiertesten Kritikern einer Sozial-und Gesellschaftspolitik, die in den Jahren nach der Finanzkrise nicht nur nach ihrer Wahrnehmung die Schere zwischen den Reichen und den Armen in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland besonders weit hat aufgehen lassen.
Ulrich Schneider, Christoph Butterwege, Friedhelm Hengsbach, Rudolf Martens und Stefan Sell schreiben in dem hier vorliegenden Buch unter der Herausgeberschaft von Ulrich Schneider nicht nur "von echten Nöten und neoliberalen Mythen", sondern sie versuchen auch mit entsprechenden Zahlen nachzuweisen, was sie auch in vielen Auftritten in den Medien immer wieder betonen: die Zahl der Armen in unserem Land steigt, insbesondere immer mehr Kinder wachsen unter Armutsbedingungen auf mit allen verheerenden Folgen für ihre körperliche und geistige Entwicklung.
Natürlich spielt die Definition von Armut immer bei allen Debatten eine wesentliche Rolle. Besonders umstritten ist die sogenannte 60% Regel, nach der als arm zu gelten hat, wer weniger als 60% des Durchschnittseinkommens für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung hat. Mich persönlich hat diese Regel noch nie überzeugt, weil danach selbst bei einer angenommenen Steigerung des Einkommens aller um das Doppelte genauso viele Menschen als arm zu gelten hätten, selbst wenn die Lebenshaltungskosten gleich geblieben wären.
Auch nach der ausführlichen Erläuterung und Begründung einiger Autoren in diesem Buch bin ich nicht überzeugt davon. Gleichwohl sind die Hinweise überdeutlich: in der sich für immer mehr Menschen verschlechternden sozialen und ökonomischen Lage verbirgt sich ein Konfliktpotential für die Zukunft unserer demokratischen Gesellschaft, die vielleicht mehr sozialen Sprengstoff in sich birgt als so mancher andere Konflikt, der derzeit die öffentlichen Gemüter erhitzt.
Leider gibt es zur Zeit wegen der boomenden Wirtschaft und niedrigen Arbeitslosenzahlen wenig Aufmerksamkeit für dieses Thema. Ich bin aber sicher, dass sich das schon bald wieder ändern wird. Dann wird man gerne auf die Ausführungen und Erläuterungen dieses Buches wieder zurückgreifen.
Ulrich Schneider (Hg.), Kampf um die Armut, Westend 2015, ISBN 978-3-86489-114-4
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-01-29)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.