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Helmut Schmidt - Unser Jahrhundert
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Schmidt, Helmut:
Unser Jahrhundert

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(Bücher frei Haus)

Lebensweisheit und gelebte Geschichte

Drei Tage nahmen sich zwei alte Freunde im Jahre 2009 Zeit, um ein Gespräch zu führen. Ein besonderes Gespräch, dessen Besonderheit allein schon in den beiden miteinander sprechenden Personen zu finden ist.

Fritz Stern, Historiker und Helmut Schmidt, Altbundekanzler und anerkannter Elder Statesman mit hoher internationaler Reputation.
Drei Vormittag und drei Nachmittage, in denen sie gemeinsam das 20 Jahrhundert Revue passieren lassen. Je ihre Erfahrungen und Interpretationen der Zeitgeschehnisse im Gespräch miteinander teilen, bewerten und mögliche Lehren aus der Geschichte gemeinsam ziehen.

Vom "Maulhelden" Kaiser Wilhelm II (H.Schmidt) über vertane Chancen der Weimarer Republik, über die Zeit des zweiten Weltkrieges, die junge Bundesrepublik, das transatlantische Bündnis, das zueinander wachsende Europa bis zur Gegenwart.
Zwei Freunde, die es beide verstehen, pointiert auf den Punkt genau zu argumentieren und die beide aus einem hohen Sachverstand einerseits und einer reichhaltigen Fülle von Lebenserfahrungen andererseits zu schöpfen vermögen.

Beste Zutaten und Voraussetzungen also für einen weiten und breiten Blick auf festem Fundament. Voraussetzungen, die beide nicht enttäuschen, ganz im Gegenteil.

Selten öffnete der privat eher wenig zugängliche Helmut Schmidt den Blick in der hier vorliegenden, intensiven Form auf seine Kriegsjahre. Erfahrungen, Erlebnisse, Bewertungen, in denen er sich mit Fritz Stern durchaus einig ist.
Eine Einigkeit, die natürlich bei zwei solche eigenständige Charakterköpfen sich nicht über alle Themen des Buches hinweg zieht. In der Bewertung des schriftlichen Nachlasses Helmut Schmidts vertreten beide andere Standpunkte, ebenso, und das fundamental, in der Bewertung des Verhältnisses der deutschen Bevölkerung der Nazi Zeit im Blick auf den Holocaust. Stern beharrt, völlig zu Recht, auf einem "Gewusst haben müssen" der Deutschen der damaligen Zeit.

Gerade die eigenständig und jeweils persönliche Stärke beider Beteiligter ist der besondere Reiz dieses Gespräches. Allzu oft treten Interviewer und Moderatoren Helmut Schmidt äußerst servil gegenüber, kaum mehr als reine Stichwortgeber.
Sicher hat es immer einen Reiz, Vorträge aus dem Mund des großen Mannes zu hören und natürlich ist auch in diesem Buch allzeit die Persönlichkeit des Altbundeskanzlers präsent, so sehr, dass man fast vermeint, ihn sprechen zu hören, während man liest. Hier aber hört (liest) man ihn in einem Gespräch auf Augenhöhe. Eigenständige Erinnerungen, Argumente, Beiträge, Betrachtungen kommen von beiden Seiten, ein lebhafter Austausch, der zu keiner Zeit langweilig wird.

Eine Lebhaftigkeit durchzieht das Buch, die allzeit zu spüren ist. Assoziationen treten neben altbekannte und geschliffene Formulierungen, ein gegenseitiges Herantasten an manchen Stellen (das heikle Thema Israel) stehen neben Gesprächsabschnitten fast im Vortragsstil.

Dass vor allem Helmut Schmidt, letztlich aber beide Gesprächspartner keine sonderliche hohe Meinung von der gegenwärtigen politischen Lage und den handelnden Politikern besitzen, wird zudem äußerst deutlich.
Ein hervorragendes, zeitgeschichtliches Dokument zweier starker Menschen, die sich auf Augenhöhe in entspannter Form begegnen und eine Fülle informativer und fundierter Betrachtungen ihrer gelebten Lebensgeschichte und der vielen daran Beteiligten Personen in den Raum stellen. Zudem zweier Persönlichkeiten, die klare Standpunkte und begründete Meinungen offensiv vertreten.

[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-07-04)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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