Wer sich Gedanken über die Zusammenhänge zwischen diesen drei Künstlern macht und warum es wohl eine Publikation über drei so unterschiedliche Menschen gibt, dem sei geflüstert, dass alle drei in Sachsen geboren wurden und durch das kulturelle Umfeld ihrer Region geprägt wurden. So praktizierten der Komponist, der bildende Künstler und der Schriftsteller in vergleichbarer Weise „eine Lebensgestaltung in europäischer Dimension“. Richard Wagner (1813–1883), Max Klinger (1857–1920) und Karl May (1842–1912) haben sicherlich auch gemeinsam, dass sie in ihrem jeweiligen Genre die Grenzen überschreiten und stets auf der Suche nach neuen Horizonten waren.
Zentral ist bei allen dreien auch die damals weit verbreitete Vorstellung eines GKWs, eines Gesamtkunstwerks. Man denke nur an Max Klinger’s Beethoven-Denkmal, das 1902 bei der Eröffnung der Wiener Sezession zu sehen war. Gustav Klimt hatte dafür den berühmten Beethovenfries gestaltet, denn für die XIV. Ausstellung der Vereinigung Bildender KünstlerInnen Österreichs Secession, die vom 15. April bis 27. Juni 1902 stattfand, sollte ebenfalls so etwas wie ein Gesamtkunstwerk geschaffen werden. In der damaligen Ausstellung, die geradezu als Hommage an den Komponisten und Europäer Ludwig van Beethoven gestaltet war, wurden unter der Leitung von Josef Hoffmann insgesamt 21 Künstler für die Ausstellung aktiv. Das Zentrum der Ausstellung spielte dabei aber vor allem die im Hauptraum platzierte Beethovenstatue von Max Klinger, die neben Klimts Beethovenfries, Wandmalereien und Dekorationen von Alfred Roller, Adolf Böhm, Ferdinand Andri und zahlreichen anderen Künstlern zu sehen war. Es galt auch als erklärtes Ziel der Ausstellungskonzeption, die einzelnen Künste - Architektur, Malerei, Skulptur und Musik zusammenzuführen und zu versöhnen.
Im Geburtstagsjahr von Richard Wagner (1813-1873) soll natürlich nicht nur ihm gedacht werden, sondern auch dem Milieu aus dem er stammte und den Zeitgenossen, die ihn vielleicht beeinflussten oder ebenso wie er von ihrer eigenen Idee besessen waren. Der Titel „Weltenschöpfer“ ist deswegen durchaus angebracht, denn alle drei lebten bekanntlich in ihrer eigenen Welt und fühlten sich sehr wohl darin. Die Nachwelt setzt sich nun damit auseinander und wählt einen Weg, der zum Verständnis des Gesamtkunstwerks auch durch den Vergleich beitragen will. Anlässlich des 200. Geburtstags von Richard Wagner unternimmt die vorliegende Publikation „eine gattungsübergreifende Zusammenschau der Vorstellungswelten der drei Sachsen, die für die Kunst- und Kulturentwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts so ungemein bedeutend waren. Interessante Essays begleiten die Reproduktionen der bekanntesten Werke oder Bühnenbilder der drei Weltenschöpfer. Die Ausstellung selbst ist im Museum der bildenden Künste in Leipzig vom 16.5.–15.9.2013 zu sehen.
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2013-07-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.