„Frauen wollen die Männer immer ändern. Und wenn ihnen das gelungen ist, sind die Männer nicht mehr attraktiv.“, so habe sich einmal Marlene Dietrich - in Liebesfragen selbst nicht ganz unerfahren - über Paare geäußert. Wolfgang Schmidbauer, der ZEIT-Kolumnist, der viele klassische Fallbeispiele in seinem hier vorliegenden Buch aufzählt und dazu nicht nur Antworten, sondern auch Therapiehinweise gibt, fügt dem Zitat der Dietrich einen klassischen Dialog zwischen Mann und Frau in einer Paarbeziehung hinzu. Er: „Wenn du mich liebst, musst du auch das lieben.“ Sie: „Nein, wenn du mich liebst, wirst du dich ändern.“ Keine Intensivpflege der Paarbeziehung
Natürlich sollte man sich niemals aus Angst ändern, denn das beweise nicht Stärke, sondern die Unsicherheit seiner Liebesbeziehung, meint Schmidbauer, aber ein paar Zugeständnisse dürfe man durchaus machen, wenn daraus dann kein Schlachtfeld der Ansprüche werde. Wer einmal nachgibt, beweise sicherlich Größe, aber wer es sich zur Gewohnheit werden lasse, zu viel auf seinen/ihren Partner/in einzugehen, wird sich bald einer weiteren narzisstischen Kränkung seines Selbstbildes ausgesetzt sehen. „Wenn in dem Gemenge kindlicher, erotischer und narzisstischer Bedürftigkeiten, das wir Liebe nennen, ein Wunsch grob verletzt wird, ist die Versuchung immens, nicht über diese Verletzung zu sprechen, sondern verletzend zurückzuschlagen.“, schreibt der Therapeut und genau an dieser Stelle könne die Therapie helfend eingreifen, um das Schlimmste (also weitere Beschädigungen) zu verhindern. Eine Therapie sei aber keinesfalls dazu da, zu einer „Intensivpflege der Paarbeziehung“ zu werden, um sie damit künstlich am Leben zu erhalten. Aus diesem Grund empfiehlt er auch eine maximale Behandlungsdauer von 25 Sitzungen. Im Verhältnis zur Einzeltherapie von bis zu 300 Sitzungen also eine relativ kurze Einheit über ein Jahr verteilt. Es gehe bei einer Paartherapie nämlich ausschließlich darum, die Selbstheilungskräfte des Paares wiederherzustellen. Den Rest müsse das Paar dann schon „alleine zu zweit“ bewältigen. Von Trostpflastern und Symbiosen
Die Themen, die Schmidbauer anspricht, wenden sich sowohl an Paare mit als auch an Paare ohne Kinder, an Verheiratete ebenso wie an frisch Verliebte, wobei sich letzteres natürlich nicht gegenseitig ausschließt. Wer Angst hat nur ein „Trostpflaster“ zu sein, also eine Übergangsbeziehung, wird ebenso Rat finden, wie jemand der an den Mythos des Machomannes für Frauen glaubt, der eigentlich nur ein verkappter Homosexualismus sei. Man müsse sich nicht schämen, einem anderen Menschen Kränkungen und Verluste zu nehmen, schließlich sei jede/r Geliebte/r das Grab in dem alle seine/ihre früheren Lieben begraben sei, wie schon William Shakespeare wusste. Wer mit Gruppen und Paaren arbeite, schreibt Schmidbauer, müsse sich auch damit auseinandersetzen, dass kein Mensch nur ein Mensch sei. Es gebe in der Lebensrealität keine individuelle Psyche, die nicht Spuren vergangener Symbiosen trage und vielleicht auch gegenwärtig in unterschiedlichen Symbiosen lebe. Wir können doch Freunde bleiben
Einzigartig für den anderen, den Liebespartner, zu sein, dürfe man sich zwar wünschen, aber man solle sich dann von der Desillusionierung nicht überrascht zeigen. „Die Beziehung gewinnt bessere Zukunftschancen, wenn es gelingt, den Partnern zu vermitteln, dass sie einander auch wegen der Eigenschaften, gesucht haben, die sie jetzt als so störend empfinden“, weiß Schmidbauer zu faszinieren und demystifiziert damit wohl auch die Redensart „Freunde bleiben“ nach einer Paarbeziehung: „Freunde sucht man sich aus und ist gern mit ihnen zusammen. Verlorene Partner sind eine Belastung für das Selbstgefühl.“ Ähnlich wie Kinder würden sich auch regredierte Erwachsene verhalten: „Sie können sich nicht lösen, auch wenn sie in einer Beziehung nicht satt werden. Sie können sich nicht vorstellen, dass es andere Gasthäuser in der Stadt gibt.“ Schmidbauer verwendet zuweilen auch sehr drastische Bilder, etwa Ritter und Minne, Installateure und Motoren oder eben Gasthäuser, um Analogien zu unserem Alltagsleben herzustellen, das außerhalb der Paarbeziehung ja auch irgendwie immer funktioniert habe. Auch seine Jäger und Sammler Gemeinschaften könnten einem Therapiewilligen sauer aufstoßen, doch wenige Zeilen weiter, ist man dann doch wieder fasziniert von seinen Erfahrungen. Im nüchternen Leben weniger verklemmt sein
Oft wolle man den anderen umgestalten, wie ein Pygmalion, der sich schließlich in seine eigene Statue verliebt habe, aber das narzisstische Bedürfnis nach einem Spiegelbild, sei sicherlich der falsche Weg zu einer glücklichen Paarbeziehung. Den Partner verändern zu wollen, bedeute nämlich immer auch der Beziehung ein Stück Vielfalt zu rauben. „Wir sollten uns an den Partner anpassen, wo es nötig ist, und davon abgesehen so viele Unterschiede zu ihm pflegen, wie es möglich ist.“, meint Schmidbauer und vielleicht sollte man auch daran denken, den anderen gerade für seine Unterschiede zu lieben und nicht für die Ähnlichkeiten zu sich selbst. Denn dann wäre man ja ein selbstverliebter Narzißt und kein liebesfähiger Partner. Weitere Themen beziehen sich auf Liebe und Lügen, Erotik und Romantik, Affären und kryptische Botschaften, Tanzmaus und Partymuffel, Männer und Geschmack etc etc. PS: Es sage übrigens – laut Schmidbauer - nichts über den wahren Charakter eines Menschen aus, wie er sich verhält, wenn er unter Drogen oder Alkohol gesetzt wird. Im nüchternen Leben weniger verklemmt zu sein, helfe aber sicherlich dabei, weniger nachholen zu müssen, wenn man dann betrunken ist.
Wolfgang Schmidbauer
Paartherapie – Konflikte verstehen, Lösungen finden
Gütersloher Verlagshaus
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2011-04-18)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.