„Dada ist eine neue Kunstrichtung. Das kann man daran erkennen, dass bisher niemand etwas davon wusste und morgen ganz Zuerich davon reden wird. Dada stammt aus dem Lexikon. Es ist furchtbar einfach. Im Franzoesischen bedeutet es Steckenpferd. Im Deutschen: Addio, steigt mir bitte den Ruecken runter, auf Wiedersehen, ein ander Mal!“, schrieb Hugo Ball in seinem „Eroeffnungs-Manifest“ am 1. Dada Abend Zuerich, 14. Juli 1916. Man müsste vielleicht wissen, dass zu jener Zeit auch ein gewisser Herr Uljanow in Zürich weilte, besser bekannt als Wladimir Iljitsch Lenin, seines Zeichens der Anführer des erfolgreichen bolschewistischen Putsches in Russland im November 1917. Aber Dada wollte keinen Putsch. Dada wollte eine Revolution. Eine Revolution der Worte. 1916 von Hugo Ball, Emmy Hennings, Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco und Hans Arp in Zürich gegründet, war Dada in erster Linie ein Statement gegen die Absurdität des Krieges, aber auch gegen die konventionelle Kunst, die weiterhin so tat, als wäre nichts geschehen. Hochvirtuos und mit Sinn für Komik und Anarchie führte Dada den Kunstbetrieb ad absurdum und zeigte wie viel Sprengstoff in der Sprache steckte.
Dada: Zwischen Don Quixote und Lenin
„Was wir Dada nennen, ist ein Narrenspiel aus dem Nichts, in das alle höheren Fragen verwickelt sind; eine Gladiatorengeste; ein Spiel mit schäbigen Überbleibseln; eine Hinrichtung der posierten Moralität und Fülle“, so Hugo Ball. Dada sei aus einem „Bedürfnis von Unabhängigkeit, des Misstrauens gegen die Gemeinsamkeit“ entstanden. „Wir anerkennen keine Theorie. Wir haben genug von den kubistischen und futuristischen Akademien: Laboratorien für formale Gedanken.“ Im Züricher Cabaret Voltaire hatten sich junge Künstler und Literaten getroffen, um mittels des Prinzips des Kabaretts bei ihren täglichen Zusammenkünften musikalische und rezitatorische Vorträge zu hören. „Ist der Dadaismus wohl als Zeichen und Geste das Gegenspiel zum Bolschewismus“, frägt derselbe Hugo Ball, „Stellt er der Destruktion und vollendeten Berechnung die völlig donquichottische, zweckwidrige und unfassbare Seite der Welt gegenüber?“ Vielleicht ist ja von Dada, heute, 100 Jahre später, tatsächlich mehr geblieben als von der bolschewistischen Revolution Lenins?
Der vorliegende Band des Reclam Verlages mit Hardcover dokumentiert die wichtigsten Manifeste und Aktionen und enthält die besten Texte und Bilder dieser Bewegung. Mit ausführlichem Anhang: Textnachweise und Anmerkungen, Kurzbiographien, Literaturhinweise und Nachwort, bestechend sind auch die vielen Faksimiles von Originaldokumenten, etwa dem Manifest und Gründungsdokument oder Fotos und Fotomontagen der Künstler.
DADA total
Manifeste, Aktionen, Texte, Bilder
Hrsg.: Schäfer, Jörgen; Riha, Karl
384 S. 36 Abb.
Geb. Format 9,6 x 15,2 cm
ISBN: 978-3-15-011041-6
19,95 €
[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-03-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.