Jeder der Namen des Inhaltsverzeichnisses ist sicherlich durchaus in den entsprechenden Fachkreisen bekannt. Aber bereits über die engeren Grenzen der Fakultäten hinaus dürfte es schwierig werden, im Blick auf die 20 vorgestellten Persönlichkeiten der Psychologie eine Form von allgemeinem Bekanntheitsgrad festzustellen.
Dennoch aber hat jeder der vorgestellten Persönlichkeiten auf ihre Weise nicht nur im engeren, wissenschaftlichen Rahmen wichtige Bausteine im Fachbereich der Psychologie geliefert, sondern durchaus auch in die Breite der gesellschaftlichen Entwicklung mit hineingereicht. Bei der Betrachtung von Friedemann Schulz von Thun ist sicherlich noch eine gewisse Breitenkenntnis voraus zu setzen, grundlegend sind seine Forschungen und Erkenntnisse in vielen Bereichen der Bildung, Pädagogik, Therapie, Beratung und Psychologie eingeflossen.
Wer aber kennt wirklich Marianne Leuzinger-Bohleber? Nun, wenn der Name Siegmund Freud Institut fällt, Theodor Adorno und Max Horkheimer zu den Gründern des Institutes zählen und Horst Eberhard Richter das Haus über ein Jahrzehnt leitete, denn wird deutlich, dass Marianne Leuzinger-Bohleber eine wichtige Rolle in der Verankerung psychologischer Arbeit in der Moderne übernommen hat. Hervorragend herausgearbeitet in der biographischen Beschreibung hier ist vor allem, dass sich Leuzinger-Bohleber in keiner Form von großen Namen beeindrucken lässt und nur durch diese offene und selbstbewusste Haltung es ihr gelungen ist, dass traditionsreiche Institut zu neuen Ufern zu führen.
Genauso erhellend der intensive Blick auf Paul Baltes, Erforscher des hohen Alters und der Weisheit, dem selber leider kein allzu langes Leben vergönnt gewesen ist. Auch heitere bis nachdenkliche private Details verstehen es hier, ihn, wie alle andern vorgestellten Psychologen und Psychologinnen auch, auch außerhalb ihres Fachgebietes fassbar zu machen und in ganz anderen Bezügen vor Augen zu führen. Dass Baltes einem partnerschaftlichem Leben absoluten Vorrang vor allen anderen Lebensformen gibt und dafür auch mit seiner Person vorangeht, dass Schulz von Thun, der „Kommunikationspapst“ in Person lange Zeit ein „Kommunikationsmuffel war“ und wie Mihaly Csikszentmihalyi im eigenen Leben den „Flow“ sucht, der in aller Munde ist, ohne dass allgemein bekannt ist, auf welche Forschung der Begriff zurückgeht, all das sind nur einige Beispiele für durchaus überraschende Erkenntnisse bei der Lektüre des Buches.
Biographische Details, persönliche Einlassungen, Blicke auf den Kern des wissenschaftlichen Arbeitens und die Verbindung hin zum allgemeinen Interesse an den Sachthemen der 20 Psychologen und Psychologinnen, all dies verbindet Annette Schäfer zu einem menschlich und fachlich interessanten Blick auf die vorgestellten Personen.
In Textaufbau und Sprachstil spürt man ihr die journalistische Erfahrung ab und kann so in bester Form Lebens- und Denkwege nachvollziehen, die durchaus von allgemeinem Interesse und allgemeiner Bedeutung waren und sind.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-10-06)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.