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Hans-Joachim Schädlich - Kokoschkins Reise
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Schädlich, Hans-Joachim:
Kokoschkins Reise

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(Bücher frei Haus)

Vor allem in der deutschen Literatur hat die Emigration etwas Schweres. Es spricht vieles dafür, dass in einem Land, in dem der Begriff Heimat etwas Mythisches an sich hat, die gewaltsame Trennung von den Wurzeln etwas besonders Schmerzhaftes in sich birgt. Zudem sind die erzählten und noch zu erzählenden Geschichten überdeckt durch die grausame Episode des deutschen Faschismus, der eine millionenfache Vertreibung zur Folge hatte, die in den meisten Fällen verknüpft war mit einer weiter gehenden Verfolgung und möglichen Ermordung, auch in der Fremde. Daher ist die Rezeption der Emigrantenromane auch immer gefärbt von der drückenden Last des niemals vergessen Wollens und der steten Mahnung, so etwas niemals mehr zulassen Dürfens, meist durch zu große pädagogische Mahnung.

Der Roman Hans-Joachim Schädlichs ist sehr gut dazu geeignet, das Thema der politischen Emigration aus einer anderen Perspektive kennen zu lernen, nämlich der einer Art liberaler Schicksalsergebenheit. Fjodor Kokoschkin ist ein russischer Emigrant, den das Schicksal von Sankt Petersburg, wo sein Vater, ein berühmter Mediziner, der der Kerenski-Regierung angehört hat, von den Bolschewiki ermordet wurde. Seine Mutter flieht mit dem kleinen Fjodor zunächst nach Odessa und von dort aus weiter nach Berlin. Ihrem Netzwerk zu bekannten Künstlern der russischen Emigration ist es zu verdanken, dass sie überlebt und sogar für ihren Sohn einen Stipendiatenplatz in einem privaten Berliner Gymnasium findet, in dem dieser es bis zum Abitur schafft. Während er noch für sein akademisches Reifezeugnis büffelt, zieht es die Mutter, zusammen mit Mitarbeitern von Maxim Gorki nach Paris, wo sie sich niederlässt und viel später nach dem Krieg in Frieden stirbt. Fjodor Kokoschkin geht nach 1934 nach Prag, wo er nur knapp der deutschen Invasion entgeht und emigriert abermals in die USA, wo er es in Boston zu einem angesehenen Botaniker bringt.

Fjodor Kokoschkin geht ein letztes Mal auf Reisen und besucht die Stationen seines Exils, meist reicht es ihm, nur die Nähe früherer Aufenthalte zu wittern, um sich wieder abzuwenden und dem nächsten Ziel zuzuwenden. Seine Rückfahrt bestreitet er auf einer Schiffspassage von Southhampton nach New York. Die Tage der Überfahrt bilden erzählerisch die Zäsuren zwischen den einzelnen Exilstationen, die für sich das Dunkle einer solchen Entwicklung illustrieren, aber kontrapunktisch immer wieder aufgehoben werden durch die Konversation des nunmehr weltläufigen Greises mit den anderen Passagieren.

Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, als sei die ganze Entwicklung ein Segen für Kokoschkin gewesen, der etabliert im edlen Beacon Hill Bostons residiert und auf etwas zurückblickt, dass er lange hinter sich hat. Der lakonische Erzählstil trägt dazu bei, dass das Wissen um die verheerenden Ereignisse der jüngeren Geschichte Europas nicht immer zu Beklemmung führen muss. Für einige wenige war es auch eine glückliche Fügung, so ironisch kann die Geschichte sein.

[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2010-03-20)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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