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Jon Savage - England´s Dreaming Anarchie, Sex Pistols, Punk Rock
Buchinformation
Savage, Jon - England´s Dreaming Anarchie, Sex Pistols, Punk Rock bestellen
Savage, Jon:
England´s Dreaming
Anarchie, Sex Pistols,
Punk Rock

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(Bücher frei Haus)

„Sei kindisch. Sei unverantwortlich. Sei respektlos. Sei alles, was diese Gesellschaft hasst.“ Larry Parnes, an dem sich der Sex Pistols Manager Malcolm McLaren ein Vorbild genommen haben könnte, sprach in einem 1970 erschienen Film das aus, was die Punkbewegung von 1976/77 quasi vorwegnahm. Denn mit Hilfe dieses Mottos schaffte es Malcolm McLaren vier arbeitslose Jungs aus der Arbeiterklasse als Galionsfiguren einer neuen Bewegung zu verkaufen. Aber war es wirklich nur McLaren? Die Idee eines genialen Einzelnen? Das würde selbst den größenwahnsinnigsten Ideen des Managers selbst ad absurdum führen. Waren die Sex Pistols nichts anderes als die Kleiderständer einer neu erfundenen Jugendkultur zur Hebung des Massenkonsums und damit auch wieder nur eine weitere Maßnahme zur Überlebenssicherung des Kapitalismus im 20. Jahrhundert? Malcolm McLaren hätte die Band, die bis heute den größten Einfluss auf die zeitgenössische Musik ausübt,, gerne als seine Erfindung zur Bekämpfung des Kapitalismus verkauft, denn der 68-Beeinflußte, glaubte tatsächlich, dass er die Medien gesteuert habe und nicht sie sein Produkt. In seinem Film „The Great Rock`n´Roll Swindle“ (für den ursprünglich ausgerechnet der Porno-Filmemacher Russ Meyer als Regisseur vorgesehen war) gelingt es ihm vielleicht die Nachgeborenen zu überzeugen, sicherlich aber nicht Jon Savage, den Musikjournalisten und Autor des hier in neuer Durchsicht vorliegenden Standardwerks zur Punkkultur der 70er/80er Jahre in England.

Punk oder die Rettung des Kapitalismus
„In jedem von uns steckt ein Johnny Rotten. Er muss aber nicht befreit, sondern gekreuzigt werden.“, maulte ein Baptisten-Pfarrer aus Tulsa, Arizona gegen das dortige Konzert der Sex Pistols. McLaren hatte absichtlich einige Auftritte in den Südstaaten und kleineren Städten organisiert, um Skandale zu provozieren. Den Ursprung der Punks führt Savage wie McLaren auch auf die Teddy Boys und deren Zoot Suits zurück, die Edwardians in den 50ern könnten ihnen ebenfalls als Vorläufer gedient haben, ganz sicher aber verortet Savage den Ursprung des Punk in England’s statischer Gesellschaft, die ihre Klassenordnung immer sehr radikal verteidigte und immer noch wehleidig pflegt. „Englischer Pop war ein Produkt relativen Wohlstands. Randgebiete, wie diese Londoner Viertel versprachen die Illusion von Veränderung“ der starren Klassengesellschaft, so Savage. Auch die Schwulengemeinde mit den Beatniks und Mods, die „Bohemian Frenzy“ verkörperten, trugen sicher einen weiteren Teil zu Entstehung des Punk bei. Pop verströmte spätestens seit 1964 das „Versprechen, dass die Welt verändert werden kann“. Und Debords These Nummer 193 lautete schließlich nicht umsonst: „In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wird die Kultur die treibende Rolle in der Wirtschaftsentwicklung spielen, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts vom Automobil und in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von der Eisenbahn gespielte wurde.“ Der Erfinder des Situationismus, Debord, hatte in seiner „Gesellschaft des Spektakels“ schon sehr viel vorweggenommen, was McLaren dann zwei Jahrzehnte mit den Sex Pistols umsetzen konnte. Oder doch nicht?

Punk am Ende: Thatcher!
Mit „A Wop Bop a Loo Bop Be Bop a Lula“, begann das, was die halbe Welt bis heute in Atem hält, denn eigentlich kam der englische Punk ja doch aus Amerika, wenn man Savage glauben kann. Iggy Pop, New York Dolls, Television oder die Ramones gab es schon lange bevor das Phänomen in England erstmals auftrat. Dennoch war das starke Schock-Element, das Punk bis heute verkörpert, eigentlich erst in der Klassengesellschaft Englands so radikal aufgetreten und der Hass gegenüber der Gesellschaft war dort sicherlich viel stärker als bei den Bands vom CBGB. Zwar hatte auch Johnny Thunders schon eine Hakenkreuzarmbinde getragen, aber es bedurfte wohl doch der Verbindung mit Europa, dass auch dieses Schockelement die Gesellschaft wirklich erregte. Denn in England hatte man schließlich Hitler besiegt, auch wenn vor allen Dingen das besiegte Deutschland dann von der Wiederaufbauhilfe Amerikas profitieren sollte. Erstmals sollen die Dolls den Begriff schon 1973 verwendet haben und Malcolm, der zu dieser Zeit in New York lebte formulierte erstmals 1974 (!) schon seine Vorstellungen „seiner“ Sex Pistols: „Ich habe die Vorstellung von einem Sänger der aussieht wie Hitler, diese Gesten, Armbinden etc., und der auf inzestuöse Weise über seine Mutter spricht.“ Aber natürlich war Johnny Lydon aka Rotten dann eine eigene Persönlichkeit der sich und seine Band gegen die Vereinnahmungen durch McLaren verteidigte. Es ist faszinierend wie Savage den großbritannischen Konsens, der bis Anfang der Siebziger herrschte, enttarnt als Klassenlüge, denn die Illusion der Sechziger, in einer klassenlosen Gesellschaft zu leben, hatte sich längst als Trugbild erwiesen. „Dreißig Jahre nach dem verlorenen Sieg, mussten die Schulden mitsamt Zinsen bezahlt werden“, schreibt Savage und das stinkte der jungen Generation mächtig. „England träumte, und es schien als wären wir die einzigen, die noch wach sind.“, hieß es 1977 von seiten der Punks, denn sie rüttelten ein in der Krise steckendes Land mächtig auf und dann… kam Margret Thatcher!

Savage, Jon:
England's Dreaming
Anarchie, Sex Pistols, Punk Rock
Critica Diabolis 100
Aus dem Englischen von Conny Lösch
Original 1992, dritte durchgesehen Auflage 2016
Paperback, 544 Seiten
14.95 Euro
ISBN: 3-89320-070-3

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2016-03-01)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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