Die zwei alten Männer von denen der Waldviertler Autor Thomas Sautter in seiner wunderbaren Erzählung spricht, könnten nicht unterschiedliche sein. Dennoch haben sie eines gemein: sie warten auf's Sterben. Der eine mit Humor, der andere mit Gram. Doch dann tritt Julia in ihr Leben und plötzlich kann das Leben gar nicht lange genug dauern.
Amüsanter Abschied zweier Alter
Hakim Elvedin, der Nachbar von Josef Wasserstein, lebt alleine mit seinen drei Katzen am Stadtrand von Wien. Er war wohl so etwas wie ein Derwisch, denn er spricht die ganze Zeit vom Tanzen und ist auch sonst ein leichtes Lichtwesen. Ganz anders der ehemalige Starfotograf, Wasserstein, der voller Ingrimm auf sein Leben zurückblickt und den es einfach nicht mehr freut. Dabei beginnt gerade jetzt der letzte Sommer seines Lebens, denn seine ihm unbekannte Tochter Julia Stern rückt in sein Leben und bringt ihn dazu, zu erzählen. Von seinem Leben. Seinen Erinnerungen. Julia gibt sich nicht als seine Tochter zu erkennen, sie bedient sich eines Tricks, um den Alten zum Sprechen zu bringen. Aber ein Blick in ihre Augen genügt, um alles zu wissen. "All das, was sie erzählt haben, liegt in ihrem Blick", sagt sie zu ihm, "Es ist als ob man teilnähme an diesem Augenblick. Als wäre er jetzt." Auch wenn die beiden dabei über ein Foto, das der Zufall geschossen hat, sprechen, ist doch klar, dass es ihr Augenblick ist. Hakim stört dabei nicht. Im Gegenteil, er erzählt, warum er von Damaskus nach Wien gekommen ist und wie sich seine Eltern kennenlernten, damals. "Layali El uns fi Vienna" heißt es in einem Schlager aus den Sechzigern: Die inspirierenden Nächte sind in Wien. Hakim ließ sich von diesem Lied leiten, er wollte selbst herausfinden, was die Sängerin Asmahan damit gemeint hatte. Und so wollte er das Glück seiner Jugend in Wien erfüllen und das Lied wahr machen.
"Weanaa" und "Aarabaa"
Thomas Sautner hat eine poetische Erzählung geschrieben, die voller schönen Bilder und Offenbarungen steckt. Etwa die Rabenschwärme über dem Ottakringer Friedhof, oder Hakims Ausführungen über das Tanzen, u.v.a.m. Dafür verzeiht man ihm auch den Einsatz der Außerirdischen Malina (eine Referenz auf seine anderen Romane) als Stilmittel oder die allzu stereotype Gegenüberstellung zwischen Okzident und Orient, Josef und Hakim, Grant und Frohsinn, "Weanaa" und "Aarabaa". Sautner konfrontiert in seiner leichtfüßigen Erzählung mit dem Essentiellen jedes Menschen: Was passiert wirklich mit uns, wenn wir alt werden, Freunde und Partner wegsterben und man selbst nur mehr aus seinen Erinnerungen besteht? Natürlich will sich niemand mit dieser Frage beschäftigen, solange er mitten im Leben steht, und doch wird sie unweigerlich am Ende unseres Lebens wieder auftauchen. Gesegnet ist man ohnehin, diese Zeit auch erleben zu dürfen und sich dann Antworten darauf zu geben. Thomas Sautner hat es in feinfühligen Worten und schönen kleinen Geschichten, die er in seine Erzählung über die beiden alten Männer einwebt, verstanden, sie zu formulieren. "Das menschliche Gesicht sei wie ein Brunnen. Schaue man tief bis an den Grund, erkenne man alles, selbst das Heiligste, die Quelle." Thomas Sautner ist mit "Nur zwei alte Männer" dabei schon ziemlich nahe dran.
Thomas Sautner
Nur zwei alte Männer. Roman
2023, gebunden, 176 Seiten
ISBN 978-3-7117-2132-7
Picus Verlag
€22,00
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2023-03-14)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.