Der vorliegende Roman des 1965 in Tel Aviv geborenen Yishai Sarid ist nach „Limassol“, ebenfalls bei kein & Aber sein zweiter, in seiner israelischen Heimat strak beachteter Roman. Sarid war als Nachrichtenoffizier der israelischen Armee tätig, hat dann Jura studiert und arbeitet als Rechtsanwalt in Tel Aviv.
Die ich-erzählende Hauptfigur ist eine Naomi. Seit sie vor etwa fünfundzwanzig Jahren mit ihrem Sohn den Kibbuz und ihren Mann verlassen hat ( die Gründe dafür sind entscheidend, und werden erst im Laufe des Buches deutlich) leitet sie mit viel Herzblut und heiligem Ernst einen Kindergarten im Norden Israels. Sie ist stolz auf ihre Einrichtung und ihre Arbeit: „Mein Kindergarten ist der kultivierteste Ort in dieser Stadt... Er ist wichtiger als der Kulturpalast und das Museum zusammen, die Oper noch dazu genommen.“
Beim Spazierengehen hat sie vor Jahren den Kindergarten entdeckt und damals eine sichtlich überforderte Kindergärtnerin über den Zaun hinweg beobachtet. Sie fragt, ob sie helfen könne, und lässt dann nicht locker.
Später wird die ältere Kindergärtnerin aufhören und Naomi den Kindergarten übergeben inklusive Wohnrecht im selben Haus. Das Haus ist in wenig gutem Zustand, aber das stört Naomi nicht. Sein Eigentümer ein vor Jahren nach Amerika ausgewanderter Überlebender des Holocaust, schließt sie bei seinen Stippvisiten ebenfalls in Herz und verspricht Naomi lebenslanges Wohnrecht und Platz für die Kinder in der inzwischen hochbegehrten Immobilie.
Doch dann stirbt er und hat offenbar kein entsprechendes Testament hinterlassen oder Naomi wurde betrogen. Ein von Erfolg und Selbstbewusstsein strotzender Architekt hat das Grundstück gekauft, will das Haus abreißen lassen und Nobelwohnungen bauen.
„Ein Rechtsanwalt teilte mir mit, ... das Grundstück... gehöre jetzt einer Firma mit dem schönen Namen Via Maris GmbH, die die Immobilie aus dem Nachlass von Herschel Kaplan erworben habe. Via Maris verlangte von mir, das Grundstück zu räumen und innerhalb von dreißig Tagen auf dieses Schreiben zu reagieren.“
Naomi beginnt um ihren Kindergarten zu kämpfen und auch um ihren Sohn Noam, der nach langer Zeit sich ihr langsam wieder öffnet und sich in einer Kindergartenhelferin verliebt hat. Die Eltern der Kinder reagieren auf die drohende Schließung mit wenig Verständnis.
Der Roman ist ein intensiv erzähltes Porträt des gegenwärtigen Lebens in Tel Aviv. Geprägt von traumatisierten Vergangenheiten und bedrohlicher Gegenwart. Doch seine Figuren gegen die Hoffnung nicht auf. Sie stellen sich ihrem schweren Leben, öffnen sich langsam ihrem Glück und werden am Ende erschöpft, aber glücklich, nach einem gelungenen Kampf wissen, dass in Israel schon der nächste Tag neue Herausforderungen und Lebensbedrohungen bereithalten kann.
Yishai Sarid, Alles andere als ein Kinderspiel, Kein & Aber 2014, ISBN 978-3-0369-5703-6
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-09-10)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.