Dieses ausdrucksstarke Bilderbuch der in der Schweiz lebenden Sardinierin Francesca Sanna ist, wie sie in einem Nachwort schreibt, entstanden nach unzähligen Gesprächen, die sie in einem Flüchtlingslager in Italien mit erwachsenen Flüchtlingen und ihren Kindern geführt hat.
Es erzählt am Beispiel einer Flucht also von vielen Fluchten. Erzählt wird die Geschichte von einem Kind, das in einer nicht näher genannten Stadt in einem nicht näher genannten Land mit seiner Familie am Meer lebt. Bis der Krieg ausbricht und ihnen schnell den Vater nimmt. Voller Sorgen beschließt die Mutter irgendwann, mit ihren beiden Kindern aus dem Land zu fliehen. Sie informieren sich genau über das Land, in das sie reisen wollen: „Da gehen wir hin, da müssen wir keine Angst mehr haben“, sagt die Mutter. Sie packen alles, was sie besitzen in Koffer, verabschieden sich von ihren Freunden und fahren los.
Immer mehr Gepäck müssen sie unterwegs zurücklassen und als sie vor der durch eine hohe Mauer und grimmige Wächter geschützten Grenze stehen, haben sie fast nichts mehr. Gegen Bezahlung bringt sie ein Mann über die Grenze.
Doch dann ist noch die gefährliche Überfahrt über das Meer, die sie glücklich überstehen. Und dann fahren sie tage- und nächtelang mit dem Zug und überqueren dabei viele Grenzen. Das Kind beobachtet die Vögel aus dem Zug und sagt:
„Sie sind unterwegs wie wir. Auch ihre Reise ist lang, doch für sie gibt es keine Grenzkontrollen. Ich hoffe, eines Tages anzukommen wie diese Vögel. In einer neuen Heimat, wo wir in Sicherheit sind und neu anfangen können.“
In einer Zeit, wo in fast jeder Kindergartengruppe und fast jeder Grundschulklasse eines oder mehrere Flüchtlingskinder aufgenommen worden sind, hilft dieses mit dem der Goldmedaille der Society of Illustrators in New York ausgezeichnete Bilderbuch auf eine sehr sensible Weise Verständnis zu schaffen und Mitgefühl zu entwickeln.
Francesca Sanna, Die Flucht, NordSüd 2016, ISBN 978-3-314-10361-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2016-09-22)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.