Nach "Paradies in Flammen" und "Kalte Zärtlichkeit" legt Charlotte Sandmann, Autorin und Übersetzerin, nun mit "Die Erbin" ihr neues Buch vor.
Salome Bottacci, 22 Jahre jung, alleinstehend und durch eine Erbschaft reich, lebt im Berlin des Jahres 1900. Noch gezeichnet von einem langen Krankenhausaufenthalt lebt sie im Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers, nur mühsam kann sie sich mittels Krücken fortbewegen.
Da erhält sie die Nachricht, dass ihre Jugendliebe Nicholas in München des Mordes angeklagt ist und zum Tode verurteilt werden soll. Für einen Freund in Gefahr aber ist sie bereit, alles stehen und liegen zu lassen und ihre nicht unerheblichen Mittel einzusetzen, diesem zu helfen. Trotz ihres erheblich geschwächten Zustandes macht sie sich auf nach München.
Nicholas ist in erbarmungswürdigem Zustand, misshandelt von den Gefängniswärtern und ohne Hoffnung, auch sein Anwalt hält die Situation für aussichtslos. Doch Salome gibt nicht auf und sucht auf eigene Faust nach der Wahrheit. Die Ereignisse spitzen sich zu, als die Spuren in die höchsten Kreise des bayerischen Hofes führen.
Salome selbst entgeht nur knapp einem Giftanschlag und der Mord, der ihrer Jugendliebe angelastet wird, bleibt nicht der letzte, der ihr begegnen wird.
Auf 330 Seiten erzählt Charlotte Sandmann in fließendem Stil eine durchaus spannende, verwickelte Geschichte. Getragen von der resoluten und gar nicht dem eher devoten Frauenbild der Jahrhundertwende zum 20.Jh. hin entsprechenden Salome, führt sie den Leser nicht nur in den Kreise ziehenden Mordfall hinein, sondern auch in ein Gesellschafts- und Sittenbild dieser vergangenen Kaiserzeit. Ein Bild, das sie bis in kleinste Details hin zu beschreiben versteht. Der "moderne" Knöchelschmuck für Frauen jener Tage mit seinem verruchten Ruf steht ebenso für diese Beschreibung im Detail wie das Leben im vornehmen Hotel, die Unzugänglichkeit der "geschlossenen Gesellschaft" bei Staat und Hofe und die Notwendigkeit, als Frau resolut auftreten zu müssen, um Gehör zu finden.
Ebenso überzeugend und akribisch, wie die Beschreibung der Zeit und Gesellschaft fügt Charlotte Sandmann Stein um Stein in das Puzzle des geschehen Mordes bis hin zur überraschenden Auflösung und Darstellung des Mordmotives am Ende des Buches. Auch zunächst nebensächlich erscheinende Geschehnisse fügen sich später in ihrer Bedeutung für die Auflösung des Falles nahtlos ein. So entsteht eine durchaus überzeugende Geschichte, auch wenn bei manchen Schilderungen drohender Gefahren für die Protagonistin des Buches sich nicht unbedingt unmittelbare Spannung für den Leser einstellt. Die ein oder andere gefährliche Situation ist dann doch zu ein Stück zu harmlos beschrieben.
Fazit:
Eine gut zu lesende und logisch aufgebaute Geschichte, in der viele Details von Bedeutung sind und die plastisches Bilder von Medizin, Psychotherapie, Leben, Mode, Ressentiments und gesellschaftlicher Verflechtungen jener Zeit von 1900 vor Augen führt.
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-04-29)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.