Biographien Rezensionen Diskutieren im versalia-Forum Das versalia.de-Rundschreiben abonnieren Service für Netzmeister Lesen im Archiv klassischer Werke Ihre kostenlose Netzbibliothek

 


Rezensionen


 
Bernie Sanders - Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein
Buchinformation

Schon lange macht man sich Gedanken darüber, welches Modell der Demokratie die USA eigentlich propagieren. Das de facto Zweiparteiensystem unterscheidet sich ja grundsätzlich von europäischen Modellen. Vor allem Dingen unterscheidet sich die Wählermobilisation, wie man dieser Tage wieder feststellen kann. Die Primaries sind das eine, die Super-PACs das andere.

Gewerkschaftlich Reorganisation

Bernard "Bernie" Sanders kommt aus der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung, ja, das gibt es auch in den USA noch. Allerdings sind nur mehr 12 Millionen Arbeitende (11 Prozent der Beschäftigten) gewerkschaftlich mobilisiert, bei mehr als 200 Millionen Wahlberechtigten, sprich arbeitende Bevölkerung. Auch was die Wahlbeteiligung betrifft unterscheidet sich die USA wesentlich von westeuropäischen Demokratien. Zuletzt waren es aber immerhin - erstmals seit den Sechzigern - wieder über 60 Prozent. Geradezu als obszön ist die Vermögensverteilung in den USA bezeichnen, die auch Bernie ankreidet: 332403650 Menschen leben in den USA (2022) aber nur ein Zehntel eines Prozents von diesen verfügt über rund 90 Prozent des gesamten Wohlstands der Nation, schreibt Bernie im Kapitel: "Milliardäre sollte es nicht geben". Das bedeutet konkret, dass es gerade mal 332 403 Amerikaner sind, die mehr als die übrigen 332071247 zusammen besitzen. Eine Oligarchie aus Konzernen wie Blackrock, Vanguard und State Street Corporation kontrollieren nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das damit verbundene Gesundheitswesen, das teuerste und gleichzeitig nutzloseste der Welt. Die Waltons von Walmart, die Familie Mars und die Brüder Koch besitzen zusammen ein Vermögen von 348,7 Milliarden Dollar, 4 Millionen mal so viel wie eine durchschnittliche US-Familie. Ebenso obszön wie dieser Reichtum sind auch die Gehälter der CEOs, die in den 50ern noch 20x so viel wie ein durchschnittlicher Arbeiter/Angestellter verdienten, heutzutage aber schon 120x so viel. Ganz abgesehen von den Golden Handshakes... Bernie Sanders zeigt mit seinen Ausführungen nichts anderes, als dass Politik uns alle betrifft und man sich nur wehren kann, wenn man sich gewerkschaftlich organisiert. Selbst bei Starbucks und Amazon setzte sich 2022 eine Gewerkschaft durch. Change ist also möglich. Against all odds.

Robotersteuer statt Klassenkampf

Die Bilanz des hyperkapitalistischen Landes USA, die Ausgangsposition, ist tatsächlich nicht gerade rosig. Dennoch hat Bernard "Bernie" Sanders für die vergangenen beiden Wahlkämpfe an einer Graswurzelrevolution mitgearbeitet, die wieder die normalen Wähler:innen zu den Urnen bringen soll, damit auch die demokratische Partei wieder deren Interessen vertritt und nicht die der Milliardäre, die Wahlkampfspenden großzügig an beide Parteien verteilen, damit der Status quo in jedem Fall erhalten bleibt. Im ersten Teil seines Buches berichtet er vor allem von seinen Wahlkampferfahrungen und -initiativen. Im weiteren Verlauf macht er dann immer mehr Vorschläge zur Verbesserung des politischen Systems und appelliert auch an ein moralisches Gewissen. Dabei gräbt er auch Zitate von US-Präsidenten aus, die verblüffen, etwa wenn sogar ein Teddy Roosevelt 1910 schon einen Plan zur Reichensteuer hatte, weil er erkannte, dass "diese Männer eine Macht anhäufen, die nicht dem Gemeinwohl dient". Auch das Wirtschaftswunder der Fünfziger ist leicht erklärt: damals betrug der Spitzensteuersatz 92 Prozent und das Land prosperierte. Interessanterweise geschah dies unter dem Republikaner Dwight D. Eisenhower, aber damals waren die Gewerkschaften noch stärker, schreibt Sanders, und als Angehöriger der Arbeiterklasse konnte man mit den Löhnen sogar noch ein Eigenheim ansparen. Etwas, das heute ein Ding der Unmöglichkeit ist. Eine zentrale und einleuchtende These Sanders lautet auch, dass es echte individuelle Freiheit ohne wirtschaftliche Absicherung und Unabhängigkeit nicht geben könne. Kulturelle und wirtschaftliche Grundrechte, Recht auf gute Bildung und bezahlbaren Wohnraum, auf Rente, auf ein Leben in einer intakten Umwelt: das alles steht im Programm von Sanders. Durch die technologische Revolution hätten wir wohl erstmals in der Menschheitsgeschichte die realistische Chance den Reichtum gerecht umzuverteilen, so dass alle davon profitierten.

Bernie Sanders
Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein
Aus dem Amerikanischen von: Richard Barth, Enrico Heinemann und Michael Schickenberg
2. Druckaufl., 2023, Hardcover, 432 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-608-50220-6
Tropen Verlag
26,00 €

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2024-03-05)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


-> Möchten Sie eine eigene Rezension veröffentlichen?

[ weitere Rezensionen : Übersicht ]

 

Anmelden
Benutzername

Passwort

Eingeloggt bleiben

Neu registrieren?
Passwort vergessen?

Neues aus dem Forum


Gedichte von Georg Trakl

Verweise
> Gedichtband Dunkelstunden
> Neue Gedichte: fahnenrost
> Kunstportal xarto.com
> New Eastern Europe
> Free Tibet
> Naturschutzbund





Das Fliegende Spaghettimonster

Ukraine | Anti-Literatur | Datenschutz | FAQ | Impressum | Rechtliches | Partnerseiten | Seite empfehlen | RSS

Systementwurf und -programmierung von zerovision.de

© 2001-2024 by Arne-Wigand Baganz

v_v3.53 erstellte diese Seite in 0.021873 sek.