„La mia città che in ogni parte è viva ha il cantuccio a me fatto, all mia vita pensosa e schiva.”, schreibt Umberto Saba in seinem Gedicht „Triest ist eine Frau“ und betont die spröde Anmut seiner Stadt: „Trieste ha una scontrasa/grazia. Se piace,/è come un ragazzaccio aspro e vorace,/con gli occhi azzuri e mani troppo grandi/per regalare un fiore; come un amore/con gelosia.” Diese “spröde Anmut” räumt auch Wolfgang Salomon der “Stadt der drei Winde” gleich zu Beginn seines Spaziergangs abseits der Pfade ein. Scirocco, Bora und Mistral machen nicht nur den Bewohnern dieser Stadt das Leben ganz besonders im Winter schwer, sondern auch der Vegetation und vielleicht ist dieses „scontraso“ besonders darauf zu beziehen und weniger auf die Stadt selbst. Denn diese blüht trotz oder gerade wegen der Vernachlässigung durch die römische Zentrale auch heute noch in allen Farben. Einst der Hafen eines Vielvölkerreiches ist Triest heute nur mehr eine Marginalie der italienischen Republik und sein Hinterland mehr slowenisch als italienisch oder irgendetwas sonst. Und genau diese drei Einflüsse machen es ähnlich wie ihre drei Winde zu so einem besonderen Platz: das österreichische Erbe, die italienische Gegenwart und die slowenische Zukunft.
Von Osmizzen und Troglodyten...
Wolfgang Salomon besucht nicht nur die Kaffeehäuser Triests auf seinen Streifzügen durch die Vergangenheit, sondern auch das Hinterland, den Karst, mit seinen Osmizzen, Olivenölen und Unterwelten. So führt ihn seine erste Reise auch tatsächlich ins Innere der Erde, nämlich nach Basovizza, wo die Geschichte der Gewalt dem Karst sehr deutlich eingeschrieben wurde. Aber Salomon taucht noch viel tiefer in die Geschichte der Region, wenn er die Grotta Gigante bei Sgonico besucht, die es immerhin auch zu einem Eintrag ins Guinessbuch der Rekorde brachte. 500 Stufen führen in ihr Inneres und das bei konstanten 11 Grad Celsius. Stalagmiten und Stalagtiten säumen den Aufstieg zurück ans Tageslicht, wo die Sonne den verschwitzten Troglodyten schnell wieder an der Luft trocknet und ihn ins Refugium der Santuario di Monte Grisa Kirche flüchten lässt, die ebenso ein Werk aus Stein (Beton) ist. Von hier fährt auch der öffentliche Bus der Linie 42 wieder zurück nach Triest, aber zuvor sollte man noch den Panoramablick auf die Stadt und das Meer gebührend genießen.
...und porcellini in allen Größen
Wolfgang Salomon besucht aber auch die liebevoll titulierten Carsolinos, die Bewohner des Karsts, die durch ihre Fleisch- und Weinproduktion vor allem das Gemüt erfreuen. Malvasia, Vitovska und Terrano passen herrlich zu den frischen Salsicce und Prosciutti. Hier verbringen die Schweine noch 365 Tage im Freien und sind keine Zuchtschweine aus Holland oder Ungarn, sondern echte carsolini, die als Beweis auch verschiedene Größen aufweisen. Hier gibt es auch die „Confettura di Cetrioli“, eine Marmelade aus Gurken oder den „Sciroppo di Fiori di Sambuco“. Für die klassische Sauerkrautsuppe „Iota Triestina“ verrätt der Autor seinen Lesern sogar ein Rezept, weitere Rezepte und Hinweise auf besondere Orte in kulinarischer oder historischer Hinsicht folgen im Laufe des liebevoll beschriebenen Reiseführers, der durch die Geheimnisse einer der schönsten Nachbarländer führt. Der Autor hat sein Buch auch mit vielen S/W-Fotos selbst illustriert und wohl auch alles vorher selbst ausprobiert, was er beschreibt. So erzählt er zum Beispiel auch von einer Kaffeeverkostung im Hause Vinko Sandalj der auf die Gretchenfrage ob er sich mehr als Slowene oder Italiener fühle ganz selbstverständlich antwortet: „Ich bin ein Triestiner“. Von seinem Büro aus sieht er gleich in drei Länder und ist als Triestiner auch in der Fremde immer zuhause.
Wolfgang Salomon
Triest. Abseits der Pfade
Braumüller 2013.
176 S. , zahlr. Ill.- br. :
ISBN 978-3-99100-101-0
€ 14,90.-
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-07-21)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.