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Marshall Sahlins - Der Tod des Kapitän Cook. Geschichte als Metapher und Mythos als Wirklichkeit
Buchinformation

Das Willkommen, das einem bereitet wird, hängt wesentlich auch vom Zeitpunkt der Ankunft ab, wie etwa auch Kapitän Cook mit seiner Crew am 17. Januar 1779 leidvoll feststellen musste. Denn in dieser Jahreszeit feiern die Einheimischen die turnusmäßige Ankunft und Herrschaftsübernahme des Friedensgottes Lono. Ein hawaianischer Gott in Gestalt des englischen Cooks, ein Missverständnis, das tödlich endete.

Rituale und Gebräuche

Aufbauend auf einem Bonmot Jean Pouillon, plus ca change, (Je größer die Veränderung, desto mehr bleibt’s in Wirklichkeit beim alten.) fügt Sahlins hinzu plus c’est la meme chose, plus ca change (Je mehr sich die Dinge gleichen, desto größer ist in Wirklichkeit die Veränderung. „In der Geschichte Hawais gibt es zahlreiche Wiederholungen, da eine Begebenheit erst bei zweiten Mal zum historischen Ereignis wird. Zuerst erscheint sie als Mythos“, erklärt Sahlins. Mythische Vorfälle konstituieren archetypische Situationen. Der Tod Cooks war ein Ritualmord, er wurde kollektiv ausgeführt, mehr als 100 Hawaiier stürzten sich auf den gefallenen Gott, um an seinem Tod teilzuhaben. Danach wurden seine Knochen haltbar gemacht und unter den Beteiligten als Reliquien der Macht verteilt. Dass die Besucher aus Europa sich zuvor aber ausgiebig des Wawahi (jus prima noctis) erfreut hatten wird von Sahlins als durchgängige Praxis der Eingeborenen betrachtet und nicht als Ausübung von Gewalt. „Ehemals Götter, wurden die Europäer durch den ritualverletzenden Verkehr mit dem was noa ist: den Frauen, entheiligt“, so Sahlins. Bei Vancouver heißt es dann später (1801), dass König Kamehameha „das Gesetz dadurch übertreten hatte, dass er mit uns in sozialen Verkehr gestanden hatte, die wir in Gegenwart der Frauen gegessen und getrunken hatten“. Ein durchwegs komplexes gesellschaftliches System also, das Marshall Sahlins versucht zu entwirren.

Anthropologie neu entdecken

Der Anthropologe Marshall Sahlins schildert in seinem Meisterstück die Begegnung zweier fremder Kulturen als Glück und Tragik. Glück insofern, als die angestrebte
Nordwestpassage in Hawaii gefunden wird und für spätere Seefahrergenerationen (etwa George Vancouver) nutzbar wird. Tragik, da sie für Cook und viele andere Beteiligte mit dem Tod endete. Das vorliegende Werk eines der wichtigsten Sozialanthropologen der Gegenwart und Professors für Anthropologie an der University of Chicago, der dieses Jahr ebendort verstarb, gehört zu den Klassikern der Anthropologie und der Kulturgeschichte zählenden Forschungsberichte. Fundamentale Überlegungen zum Verhältnis von Struktur und Geschichte, die auch in den derzeitigen Diskussionen um transkulturelle Verflechtungen und Wandel in der (post-)kolonialen Welt von größter Bedeutung sind, werden ebenso thematisiert wie der Austausch von Kulturen (Stichwort: Transfer) allgemein.

Marshall Sahlins
Der Tod des Kapitän Cook
Geschichte als Metapher und Mythos als Wirklichkeit
Aus dem amerikanischen Englisch von Hans Medick und Michael Schmidt
WAT [844]. 30.9.2021
208 Seiten. Mit vielen Abbildungen. Broschiert
Buch 16,– € / E-Book 13,99 €
ISBN 978-3-8031-2844-7
Wagenbach Verlag

[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2021-11-01)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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