Das vorliegende Buch ist nach „Der Schatten des Windes“ und „Das Spiel des Engels“ der dritte in der Reihe der großen Barcelona-Romane von Carlos Ruiz Zafon rund um den legendären „Friedhof der vergessenen Bücher“. Wieder begegnen wir dem Buchhändler Daniel Sempere und seinem älteren Freund Fermin.
Zwar kann man dieses Buch durchaus mit Gewinn ohne die Kenntnis der beiden vorausgegangenen Bücher lesen, kennt man aber insbesondere die Personen schon aus „Die Schatten des Windes“, wird man diesen neuen Roman einer bemerkenswerten Reihe viel besser verstehen.
Zu Beginn der Handlung kurz vor Weihnachten des Jahres 1957 begegnen wir einem mit seinem gegenwärtigen Leben sehr zufriedenen Daniel Sempere, der sich aber schon seit geraumer Zeit um die Verfassung seines Freundes Fermin seine Gedanken macht. Obwohl der sich auf seine Hochzeit vorbereitet, scheint er seltsam bedrückt und mit seinen Gedanken woanders.
Da betritt eines Tages ein fremder Mann unter sehr geheimnisvollen Umständen das Antiquariat und erwirbt von den beiden unter einer wirtschaftlichen Krise leidenden Buchhändlern das teuerste Stück der Abertausende von Büchern umfassenden Sammlung: eine seltene Ausgabe von „Der Graf von Monte Christo“.
Der fremde Mann zieht einen Füllfederhalter hervor und schreibt etwas in das Buch hinein. Auf die Frage Daniels, wohin er das Buch expedieren soll, antwortet der Fremde kryptisch: „ Es steht alles da“ und verschwindet durch die Tür.
Daniel schlägt das Buch auf und liest:
„Für Fermin Romero de Torres, der von den Toten auferstanden ist und den Schlüssel der Zukunft hat.“
Nun lässt Daniel erst recht nicht locker und nötigt Fermin geradezu zu einer persönlichen Erzählung, die sich über das ganze Buch erstreckt und die als das Zentrum des Romans bezeichnet werden kann. Es ist die dramatische Geschichte eines Lebens während der spanischen Diktatur, die nach dem Ende des Bürgerkriegs ab 1939 ihre republikanischen Gegner gnadenlos verfolgte und in den Gefängnissen foltern und darben ließ. Zwar war diese Zeit auch in den beiden Vorgängerbänden immer wieder Thema, nun aber bildet sie das Zentrum einer biographischen Erzählung, die sich spannend liest wie ein Thriller.
Zafon entführt seine Leser mit der Geschichte Fermins und dessen Verbindungen zu Daniels Leben und dem seiner verstorbenen Mutter in ein faszinierendes und bewegendes literarisches Universum, in dem sich die Wege der Figuren und die Handlungsstränge auf eine überaus komplexe Weise kreuzen. „Der Gefangene des Himmels“ ist ein Mithäftling Fermins, der ihm im Gefängnis ein zweites Leben schenkt. Schon nach wenigen Seiten befindet sich der Leser in einem geheimnisvollen Labyrinth, in dem seine Orientierung umso besser gelingt, je mehr er sich an die beiden ersten Bücher erinnert.
Irgendwann wird deutlich, warum der fremde Mann gerade das berühmte Buch von Alexander Dumas gewählt hat, um es Fermin zu schenken.
Der Roman fesselt seinen Leser sofort und er lässt ihn nicht los. Es gibt Bücher, für die opfert man einen Nachtschlaf, um sie sofort und jetzt zu Ende zu lesen. Die Romane Zafons gehören dazu. Und so darf man auf den angekündigten vierten Band der Romanreihe um den „Friedhof der vergessenen Bücher“ schon heute gespannt sein.
Carlos Ruiz Zafon, Der Gefangene des Himmels, S. Fischer 2012, ISBN 978-3-10-095402-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-08-13)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.