Ein Titel, der geradezu atemlose Spannung verspricht. Leider hat Fischer mit seiner Wahl etwas daneben gegriffen. In "Le parfum d'Adam", wie der 2007 bei Editions Flammarion in Paris im Original vorgelegte Roman heißt, geht es um die Gefahr der Vernichtung des ärmsten und bedürftigsten Teiles der Menschheit, die radikale Dezimierung der Überbevölkerung in der sogenannten Dritten Welt durch den Einsatz von genmanipulierten Cholerabakterien. Eine schwer aufzuspürende Gruppe von Terroristen mit Verbindungen bis weit hinauf in Wirtschaft und Politik, die sich eine menschenverachtende ökologische Entlastungsstrategie auf ihre Fahnen geschrieben hat, muss über weit mehr als fünfhundert Buchseiten hinweg von einem unermüdlichen Agentenpärchen und ihren wechselnden Auftraggebern und Helfershelfern um den gesamten Globus gejagt werden. Das Szenario, das Rufin, immerhin Prix-Goncourt-Gewinner von 2001, mit seinem Bestseller-Roman eröffnet, ist nicht unbedingt neu, aber dank der langjährigen Erfahrung des Autors als Arzt, Entwicklungshelfer und Berater der französischen Regierung gut recherchiert. Immer wieder finden sich auch interessante Verweise auf die teilweise Jahrzehnte alte Debatte um tiefenökologische und philosophische Ansätze zum Thema Mensch und Umwelt, die zur weiteren Beschäftigung auffordern, wenn man das Buch mit seiner etwas reißerischen Aufmachung schon lange wieder aus der Hand gelegt hat. Vom ästhetischen Standpunkt her ist Rufin allerdings eher leichte Kost gelungen; stilistisch hebt sich "100 Stunden" in nichts vom Einheitsbrei konventioneller Thrillergestaltung ab. Das hat einerseits den Vorteil, dass das Buch auch von Lesern rezipiert werden kann, die schnörkellose Normalkost bevorzugen, und die sich vielleicht nicht auf eine andere Darreichungsform der heiklen Thematik eingelassen hätten; andererseits hätte der Autor nicht soweit gehen müssen, seine Protagonisten so unliterarisch-eindimensional zu konzipieren. Die wenig überraschenden Charaktere aus der Agentenszene wirken nicht nur unehrlich, sondern manchmal sogar schon fast unfreiwillig komisch. Auch die Motive, die die handelnden Personen antreiben, muten mitunter reichlich konstruiert an. Die genretypische Scharade mit falschen Spuren und Verdächtigen ist hingegen sauber konzipiert und durchgeführt. Auf jeder Seite merkt man dem Buch jedoch den Willen zum Verkaufserfolg an, was angesichts des anspruchsvollen Sujets ein wenig verstimmt. Auch ohne die formale Spur des klassischen Agentenromans verlassen zu müssen, hätte man mehr aus diesem brisanten Stoff machen können.
[*] Diese Rezension schrieb: Marcus Neuert (2010-01-11)
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