Dieser kleine Schelmenroman wird all diejenigen Herzen erfreuen, die sich für Wolken, die Liebe und das deutsch-tschechische Verhältnis nach 1945 interessieren. Eine tüchtige Portion Vergangenheitsbewältigung spielt in diesem zweiten Roman des 72er Jahrgangs Rudis nämlich ebenso eine Rolle, wie die Unmöglichkeit der Liebe oder die Erkenntnis der eigenen Unendlichkeit. Aber besser erklärt dem geneigten Leser das sicherlich Fleischman selbst, der heldenhafte Einzelgänger und Protagonist dieser witzigen Geschichte aus Reichenberg/Liberec, der auf dem übrigens immer noch als Geheimtipp gehandelten Hotel Jested auf einem Hügel mit Jegr, der Mann nach dem das Jägerschnitzel benannt ist, als moderner Sklave arbeitet:
„Wenn das so ist, dann muss die Liebe so etwas wie ein Blitz sein. (…)Nicht jeder Blitz trifft sein Ziel, und nicht jeder erreicht die Erde, das ist das Problem. Die meisten bleiben im Himmel hängen. Zwischen den Wolken.“ Nachdem der Blitz im Hotel Jested im letzten Jahr immerhin 53 mal eingeschlagen habe, scheint es wohl auch ein guter Ort für die Liebe zu sein, wie sich am Ende ja auch für den Protagonisten des Romans, Fleischman, herausstellen wird. Aber wohl nur ein angehender Meteorologe kann die Liebe auf einen solchen Nenner bringen, denn Fleischmans Ansicht hänge ohnehin alles vom Wetter ab, sie sei die Grundlage für alles. Zuzana, tat manchmal so, als ob die Geschichte nicht von Feldherrn gemacht würd,e „sondern vom Wetter, weil am Anfang aller Dinge Wolken gestanden haben und es auch an ihrem Ende tun werden“. Das glaubt selbst Fleischman nicht, auch wenn er den Winter liebt und sich dennoch nie einsam fühlt: er hat ja seine Wolken, selbst im Winter! Und Karel Hubacek, der Architekt des Hotels Jested, wo Fleischman arbeitet und wohn, hat ohnehin sein Bestes getan, den Berg auf dem das Hotel steht bis in die Wolken des Himmels zu verlängern.
Liberec beschreibt Fleischman als „Pisspott“ Europas, wohl aufgrund der hohen Niederschlagsmenge und der vielen Wolken, selbst darüber, dass der Mittelpunkt Europas in einem Gully gegenüber dem Rathaus von Liberec liege, scheint sich des Protagonisten Stimmungslage nicht zu verbessern. Liberec sei nur ein Kessel innerhalb eines „großen gesamttschechischen Kessels“, deswegen wundere es ihn auch nicht, dass sich die meisten Landesbewohner seiner Region ob der höchsten Niederschlagsmenge des Landes umbrächten. Wer sich umbringt hat zwar Mut, aber so viel bringt Fleischman nicht auf. „Wenn man den letzten Schritt macht, muss man ganz fest an sich glauben.“ Und so viel Glauben hat Fleischman einfach nicht. Er will sich aber auch nicht umbringen, sondern wegfliegen. Viel lieber würde er diese Stadt also flugs verlassen, um alle Wolken der Welt zu sehen. Aber natürlich würde er auch gerne wieder zurückkommen. „Aber um zurückkommen zu können, muss man erst mal rauskommen“, schließt er schließlich messerscharf, doch alle seine Fluchtversuche scheitern chancenlos, selbst einer mit seiner Frau Doktor, die fiktive Ansprechperson in diesem Buch, im öffentlichen Linienbus ist nicht gerade von Erfolg gekrönt. Erst am Ende des Romans findet Fleischman die ideale Möglichkeit für einen Meteorologen aus seiner Stadt zu türmen: mit Hilfe der Wolken! Mehr wird natürlich nicht verraten, auch nicht welche Rolle der mysteriöse Sudetendeutsche mit Namen „Franz“ spielt, was Big Lebowski und ein ganz bestimmter Schmetterling mit dem Roman zu tun haben oder wie „Schlitzer“ und „Schräg“ zu ihren Nachnamen gekommen sind. Mitnichten!
„Sikmy“ heißt auf Deutsch „schräg, schief, krumm, abgefahren, umwerfend“ und zweifellos könnte dieses Attribut einwandfrei auch auf Grandhotel angewandt werden. Schön, dass der Autor mir dafür selbst den Text geliefert hat! Mit sprachlicher Leichtigkeit und süffisanter Ironie, vermag es Jaroslav Rudis, einem eine poetische Reise aus dem eigenen Alltag zu verschaffen und die Zeit für den kurzen Moment der amüsanten Lektüre des Buches anzuhalten. „Ich begriff, dass es so ein Augenblick war, in dem die Zeit stehen bleibt, und angesichts der ganzen Schönheit schloss ich die Augen und wünschte mir, es möge nie vorbeigehen und der Zirrus möge auf die Erde fallen und alles bedecken.“ So schön kann lesen sein, so schön kann träumen sein. Und ganz besonders das Wachsen! Wir wollen mehr von diesen Momenten!