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Joseph Roth - Jede Freundschaft mit mir ist verderblich

Klassisch ist die Veröffentlichung von Briefwechseln nicht immer eine Bereicherung. Oft wird durchaus Profanes, das nichts Tieferes verbirgt, nicht dadurch besser, weil es aus der Feder renommierter Größen stammt. Der Briefwechsel zwischen den Schriftstellern Joseph Roth und Stefan Zweig hingegen gewährt tiefe Einblicke in die Tragödie des menschlichen Daseins. In einem Genre, das heute nicht mehr existierte, nämlich dem mit Hand oder Schreibmaschine geschriebenen physischen Brief, der Tage oder Wochen unterwegs war, zu unterschiedlichen Adressen des Exils, versuchen diese beiden Schriftsteller, das Band ihrer Freundschaft nicht zerreißen zu lassen.

Die Gemeinsamkeiten sind auf den ersten Blick groß: beide sind erfolgreiche Schriftsteller, beide stammen aus Österreich und beide sind Juden. In der Korrespondenz jedoch werden die Welten deutlich, die zwischen beiden liegen. Joseph Roth, der das Stigma des Ostjuden vor sich selbst nie ablegen konnte und stets glaubte, sich beweisen zu müssen, Joseph Roth, der sich vom Schicksal verfolgt glaubte und trotz großer literarischer Erfolge in ständiger Geldnot lebte, Joseph Roth, dem die Melange aus persönlichem Schicksal und politischem Debakel zu ungenießbar wurde und dem Alkohol verfiel. Dagegen Stefan Zweig, der Großbürger und Wiener, der Erfolgsautor und Wohlhabende, dem alles in den Schoß zu fallen schien, bis ihn das Unsägliche des Faschismus ungläubig in die Isolation, die Emigration und letztendlich in den Freitod trieb.

Die in dem vorliegenden Buch dokumentierte Korrespondenz der beiden beginnt mit dem scheinbar Alltäglichen, den Informationen über wechselnde Adressen und Verlage. Ein sehr impulsiver und ständig sich in Erinnerung bringender Joseph Roth und ein selten, dann aber überlegt und ausführlich antwortender Stefan Zweig. Erst mit dem Jahr 1933 wird die Korrespondenz politischer und der durch Diskriminierungen geschulte Ostjude Joseph Roth ist derjenige, der das Wesen des Faschismus sogleich schonungslos beschreibt und seinen Freund Zweig vor Illusionen warnt. Roth weiß bereits bei der Machtübernahme, wohin das alles führen wird: bei ihm zum frühen Tod und bei Europa zur Zerstörung. Da ist es Zweig, der es nicht glauben will und erst durch schmerzhafte Fehler, in dem er den falschen Leuten Vertrauen schenkt, zu einem Prozess der argen Erkenntnis kommt. Die Korrespondenz wird in den letzten fünf Jahren hitziger und gehetzter, bei Roth sind es Geldsorgen und die durch den Alkohol angegriffene Gesundheit, bei Zweig die Irritation über den sich selbst zerstörenden Freund und die untergehende Kultur, die die Lektüre zu einer mit Spannung geladenen Studie macht.

Die hier publizierten Briefe, die übrigens in einem ausführlichen Anhang sehr gut kommentiert sind und es dadurch auch historisch weniger vertrauten Leserinnen und Lesern ermöglichen, die Vorgänge nachvollziehen zu können, sind ein dramatisches Logbuch über die Freundschaft zweier Schriftsteller, die sie nicht vor dem Untergang bewahren konnte.

[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2011-10-19)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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