Gestern jährte sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum 69. Mal. Anlass für die Medien und die offizielle Politik in Ansprachen und Gedenkfeiern diesen Tag zu würdigen und zu mahnen, wie Bundestagspräsident Lammert sagte, dass sich so etwas nie wieder wiederholen dürfe.
In vielen Schulen, auch am Heimatort des Rezensenten in Ober-Ramstadt ist die historische Erinnerungsarbeit fester Bestandteil des Schullebens. Viele Schüler, die keinen familiären oder persönlichen Bezug mehr zu dem damaligen Geschehen haben, interessieren sich dafür und verbringen viele Stunden ihrer Freizeit mit dem Erstellen von Arbeiten und Dokumentationen, mit der Vorbereitung von Ausstellungen und Gedenkveranstaltungen.
Dennoch: nur noch wenige Überlebende des Holocaust können persönlich Zeugnis geben. Und die Frage des vorliegenden Buches „Was geht mich der Holocaust an?“ wird von vielen jungen Menschen gestellt, nicht nur von denen, die mit ihrem Migrationshintergrund keinen biographischen Zusammenhang zu den damaligen Verbrechen sehen können.
Der Herausgeber des Buches, der ehemalige Lehrer und Mitinitiator der KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen hat insgesamt 27 Zeitgenossen, Schriftsteller, Journalisten, Politiker und andere gebeten, zu dieser Frage kleine Aufsätze zu schreiben. Denn er geht davon aus, dass, wenn man den Umfragen glauben kann, eine Mehrzahl der jungen Menschen durchaus großes Interesse an der nationalsozialistischen Vergangenheit hat, sofern sie ihre Betroffenheit nicht verordnet bekommen.
Denn auch heute gibt es überall auf der Welt, nah und fern, Anlässe, die die Jungen fragen lassen: Warum werden Menschen ausgegrenzt? Warum werden zunächst normale Menschen zu Massenmördern? Hätte man all das eigentlich verhindern können und wie? Kann oder darf man den Holocaust mit anderen Verbrechen auf der Welt vergleichen?
Aus unterschiedlichen Blickwinkeln versuchen die Autoren des Buches Antworten und Näherungen und in unterschiedlichen literarischen Genres. Essays, politische Statements, Erzählungen und persönliche Zeugnisse und Stellungnahmen wechseln sich ab. Es lohnt sich, auch einzelne Beiträge auszuwählen und sie nach Interesse zu lesen. Besonders herausheben möchte ich keinen. Sie haben alle ihren jeweiligen Wert.
Jungen Menschen und Bürgern unseres Landes, aber auch Erwachsnen jeden Alters kann ich es nur empfehlen.
Harald Roth (Hg.), Was hat der Holocaust mit mir zu tun. 37 Antworten, Pantheon 2014, ISBN 978-3-570-55203-2
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-01-30)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.