Alexander Roob, der an der Berliner Hochschule der Künste Malerei studiert hatte, ist seit 2002 Professor an der Kunstakademie Stuttgart und legt mit „Alchemie & Mystik“ ein Nachschlagewerk vor, in dem es sich viele Stunden lang immer wieder aufs Neue schmökern lässt. Gegliedert in Makro- und Mikrokosmos, das Opus Magnum und „Rotation“ mit einem reichen Register und vielen Illustrationen wird „Alchemie & Mystik“ bald zu einer fantastischen Reise durch die Geschichte der Esoterik, natürlich ganz ohne dabei „esoterisch“ zu sein. Adam Androgyn
Nach gnostischer Auffassung sei eigentlich gerade die irdische Existenz ein Bereich finsterer Verbannung und nach Paracelsus gar der Ort, an der Luzifer verstoßen wurde, als die Hölle selbst, schreibt Roob an einer Stelle. Bei der hermetischen Philosophie wird wiederum genau die Verbannung Luzifers und der damit in Zusammenhang stehende Fall Adams als Ausgangspunkt herangezogen, die Welt zu erklären. „Es ist offenbar, dass die von Gott anfänglich geschaffene Erde ganz vollkommen und perfekt und auch der Natur und des philosophischen Steins gleich gewesen sei. Als der der Mensch fiel, ward Gott zornig und verfluchte die rote Erde“ heißt es beim zitierten Julius Sperber 1730. Der Fall Adams war der Ausgangspunkt der Verkehrung, nach Paracelsus und Böhme soll dieser gar androgyn gewesen sein: „er war ein Mann und ein Weib zugleich ganz rein in Zucht. Er konnte jungfräulich gebären aus seinem Willen und er hatte einen Leib, der konnte durch Bäume und Stein gehen.“ Das Weibliche an ihm war eigentlich die Emanation, aber seit der Erbsünde wurde er von ihr verlassen. Von Wahrheitssuchern und Lichtbringern
Auch im Signet der Theosophischen Gesellschaft spielt eine tiefe Symbolik mit. Es setzt sich aus dem westlichen Ouroboros, östlicher Swastika, jüdischem Sechsstern und altägyptischem Henkelkreuz zusammen. Ein Synkretismus ohne Gleichen! Die russische Emigrantin Helena P. Blavatsky hatte die Gesellschaft 1875 in New York gegründet. Ihre „Geheimlehre“ kommt auch bei Joyce vor oder fand in Kandinsky und Mondrian seine Anhänger. Blavatskys Lehre zufolge bestehe der Kosmos aus einem siebenstufigen Evolutions- und Involutionsprozess. Ziel der Menschheit sei die Entwicklung vom Materiellen zum Ätherischen, vom Leib zum Licht. Rudolf Steiner sollte seine Anthroposophische Gesellschaft von der Nachfolgerin Blavatskys, Katherine Tingeley, 1913 abspalten und sich wieder irdischeren Dingen zuwenden, als dem Warten auf den neuen Messias. William Blake wiederum wollte das Goldene Zeitalter wiederherstellen, während Krishnamurti den Beginn der Weisheit im Ende des Wissens vermutete. Die Alchemisten des 21. Jahrhunderts
„Alchemie & Mystik“ illustriert die Geschichte der Esoterik – angefangen beim mittelalterlichen Kosmogramm und den Bildern der christlichen Mystik über die faszinierende Welt der Alchemie bis hin zur Kunst der Romantik. Es zeigt die Hieroglyphen der Kabbalisten, die Symbole der Rosenkreuzer und der Freimaurer und erklärt, wie eng sie mit frühen wissenschaftlichen Medizinillustrationen, mit Chemie, Optik und Farbenlehre verbunden sind. Eine scheinbar unversiegbare Quelle der Inspiration. Für Künstler ebenso wie für die Alchemisten des 21. Jahrhunderts.
Alexander Roob
Alchemie & Mystik
TASCHEN Verlag
Hardcover
576 Seiten
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2014-06-28)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.