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Rezensionen


 
Ladislas-Stanislas Reymont - Die Bauern
Buchinformation

Für „Die Bauern“ hat Ladislas-Stanislas Reymont 1924 den Nobelpreis bekommen. Es ist eines der bedeutendsten Prosawerke in polnischer Sprache und liegt in guter deutscher Übersetzung vor. Obwohl Polen unser zweitgrößtes Nachbarland ist, hat kein hiesiger Verlag mehr das Buch im Programm. Das ist eine Schande. Zum Glück kann man das Werk noch aus Restauflagen bekommen, dann sehr günstig.

Inwiefern ist es noch lesenswert? Dafür vier Gründe:

Erstens: Es dokumentiert hervorragend die ländlichen Verhältnisse im östlichen Mitteleuropa und in Russland um 1900.

Zweitens: Seine Naturschilderung ist ungewöhnlich plastisch und intensiv.

Drittens: Man versteht nach der Lektüre Polen viel besser, seine Geschichte, die polnische Mentalität und die problematische Lage des Landes zwischen Deutschland und Russland.

Viertens: Und vor allem der hohe literarische Wert. Es ist vordergründig ein naturalistisches, fast veristisches Werk. Gleichzeitig interpretiert der Autor auf sehr geschickte, indirekte Weise Zeit und Gesellschaft. Daraus kann man immer noch lernen (falls jemand zufällig einen großen Roman schreiben möchte). Es gelingt ihm, durch die Anordnung der Personen und Geschehnisse seine Sicht auszusprechen, ohne sich selbst zu äußern. Das wesentliche Verständnis ergibt sich aus dem sehr ungewöhnlichen Schluss. Auf der einen Seite ist durch eine reiche Ernte das materielle Überleben der Dorfgemeinschaft nach großen Krisen endlich gesichert. Damit reiht sich das Buch scheinbar in eine damalige Tradition ein, in der die Gemeinschaft der Hauptwert ist und der Einzelne in ihr aufgehoben, gesichert und letztlich bedeutungslos. Dagegen stehen die Schicksale der Hauptfiguren. Diese sind in dem Jahresablauf, den der Roman umfasst, alle in schwerste Krisen geraten, die sie nicht oder allenfalls unvollständig gemeistert haben. Es gibt vor allem Tod, Warten auf das Ende oder Warten auf einen Prozess wegen Totschlag und die Deportation nach Sibirien. Den Kontrast zwischen allgemeiner Wohlfahrt und individuellem Unglück kann man so interpretieren, dass Reymont für seine Zeit und Gesellschaft individuelle Glücksmöglichkeiten verneint hat. Dieser Kultur- und Geschichtspessimismus wird nur durch die vage Utopie nationaler Selbstbestimmung, vielleicht sogar von Demokratie, gemildert. Und er lebt vor dem Hintergrund einer als tief dargestellten Religiosität.

Alles in allem ein Schlüsselwerk zum Verständnis Polens und sein Beitrag zur beginnenden Moderne in der Literatur.

[*] Diese Rezension schrieb: ArnoAbendschoen (2010-06-30)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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