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Felix Rexhausen - Berührungen
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Rexhausen, Felix:
Berührungen

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(Bücher frei Haus)

Im skandalumwitterten Pariser Verlag Olympia Press waren in den fünfziger und sechziger Jahren nicht nur „Lolita“ und „Geschichte der O“ erschienen, sondern auch Werke Genets, Burroughs‘, Batailles, Becketts, Henry Millers sowie Queneaus „Zazie in der Metro“. Einen Markt für Bastarde zwischen Sexgeschichten und ambitionierter Literatur schien man sich erschließen zu können. 1969 gründete Jörg Schröder vom März Verlag (Brinkmann, Castaneda, Cohen, Chotjewitz, Nitsch, Piwitt) den deutschen Ableger von Olympia Press. Ein Buchtitel zum Beispiel: „Frankenstein ‘69“:
Nicht Monster werden auf Ygors Dalmatian Smith Burg erschaffen, sondern drei nymphomane Roboter. Dort lebt auch Lassie, der Schlosshund. Er heult wie ein Wolf und leckt jedesmal die intimsten menschlichen Regionen, wenn er ein Pärchen beim Austausch von Zärtlichkeiten entdeckt. Aber all dies ist noch nicht unglaublich genug, denn der griechische Meergott Triton sendet Meerjungfrauen auf die Burg, um dort mit den nymphomanen Klonen eine neue Rasse von menschlichen Meerwesen zu erschaffen.

Einen der wenigen schwulen Titel dieser Reihe lieferte der 1932 geborene Journalist Felix Rexhausen (WDR, Kölner Stadt Anzeiger, Der Spiegel, Die Zeit), „Berührungen“, allerdings unter seinem Pseudonym Stefan David. „Berührungen“ sind 41 angeblich wahre oder zumindest öfters merkbar „autobiografisch inspirierte“ Erlebnisse aus dem Leben eines jungen deutschen Schwulen, der dauernd umgezogen und gereist sein muss.

Die Wege von Olympia Press Deutschland und Rexhausen trennten sich dann wieder. Aus Rexhausen, der vorher schon, 1966, seinen satirischen Roman über eine Rebellion der Schwulen gegen die altbackene CDU-Regierung in Bonn publiziert hatte, „Lavendelschwert“, (unter dieser Bezeichnung sollte nachmalig Kölns schwuler Buchladen firmieren), entwickelte sich zum nicht immer unpeinlichen Satiriker mit heiteren Büchern über Sex (und zwar auch in seinen heterosexuellen Spielarten), schwulen Märchen, rosa Weihnachten und einer Kolumne in der damals noch nicht so coolen und jungen Zeitschrift „Du & Ich“. Liedtexte fürs Blödelbarden-Duo Schobert und Black waren auch von ihm. Der seit 1998 vergebene Journalismuspreis für Medienbeiträge zu lesbischen und schwulen Themen ist nach diesem Felix Rexhausen benannt worden, ebenso 2015 ein Platz in Köln.

Olympia Press Deutschland schlief dann ein. Doch hat, wenn sie es auf ihrer Internetsite auch möglichst nicht zu zeigen versucht, die Eulenspiegel Verlagsgruppe (zuständig für Satire, Ostdeutsches, DDR-Hinterlassenschaften wie die Gesamtausgaben von Peter Hacks und Reiner Kirsch) in den letzten Jahren die alte Reihe noch mal ausgegraben. Dadurch entstand die seltsame Situation, dass man beim Buchhandel gleichzeitig ein schlüpfrig erotisches „Berührungen“ von Stefan David bestellen konnte, bei der historisch ambitionierten „Bibliothek rosa Winkel“ im Hamburger Männerschwarm Verlag dagegen Felix Rexhausens „Berührungen“.

Noch während der gesamten Lektüre bleibt dieses Buch mindestens zwei Bücher aufs Mal. Und es ist kaum irgendwer vorstellbar, der sie beide gleich mögen kann. Da wäre jenes exquisite Herren-Buch für die Kenner, sprich: die ein bisschen Lustvergreisten. So etwa alle drei Seiten wird ihnen „pikanter Inhalt“ beigebracht, schließlich haben sie beim Pornoverleger gekauft. Rexhausen/David entbehrt leider nicht eines maskulinen Imponiergehabes in Sachen Sex. Gut bestückte Neger (so ein Ausdruck war seinerzeit nichts als schmeichelnd gemeint), mediterrane Halbstrichbuben, die noch nicht so genau wissen, ob sie einen beklauen werden oder es doch eigentlich dafür machen, dass sie oral bestens bespielt werden. Die ins schiere Überborden gehende Detailfülle dessen, was der Erzähler mit wem erlebt haben will.

Ein für aktuelle Zeitumstände unfassbar tolerantes Kerlchen muss Stefan David damals gewesen sein. Kommen ihm die Partner seiner fidelen Fleischeslust fett, ungewaschen, hässlich im Gesicht, sonst aber vielleicht gut gebaut, weibisch, verklemmt oder furchtbar alt vor, dann schreibt er das immer genau auf, zögert aber keine Sekunde, es mit diesem auch noch zu tun. Nämlich oben und unten wie hinten und vorn.

Also noch mal ein kräftiger Neger, nachts halb vier im leeren Duschraum des YMCA. Und jetzt, wo die Lustreise sich so wohl fühlen, darf ich auch ernst werden, sagt Herr Rexhausen/David sich. Wir begegnen einem Polizisten, der sich erinnert, dass vor relativ wenigen Jahren die bei Kontrollen erwischten Schwulen ins KZ gekommen waren. Rexhausen unterfüttert das mit einem kurzen Abriss der Homosexuellenverfolgung unter Hitler, hat journalistisch recherchiert: Im Jahr 1933 seien 835 Männer nach § 175 verurteilt worden. Aber in den Jahren 1937 bis 1939 waren es schon 24.450. An ihre Haft schloss sich zumeist die „Schutzhaft“ an, das Lager. Lebend kamen nur wenige zurück.

Nicht ganz das, was man in einem Prickelbuch aus der Zeit der Sexwelle zu lesen erwartet hätte.

Und doch ist der Wert, die Bedeutung von Rexhausens „Berührungen“ unvergleichlich und unvergänglich für und in der deutschen Buchszene. Manchmal glaubt man kaum, dass es mittlerweile nicht alle kennen, es nicht als Schulbuchlektüre fürs Schwulsein in ihre Hände gedrückt bekommen haben von den Altvorderen. „Ah was! Damals war das auch schon so!“, denkt man die ganze Zeit. Wenn man als Junger hineinkam, fühlte man sich fremd und übervorteilt in der schwulen Szene. Musste sich aber selbst verantwortlich machen; es wimmelte von Phantasten, Aufschneidern, Blendern, Abgreifern, Selbstverliebten, die Proselyten angelten. Und immer war man auf die gleichen paar Schlüsselreize reingefallen, wo man sich eigentlich vorgenommen hatte, nur die Persönlichkeit zähle. Wenn einer einen Bart oder eine Glatze hatte, Leder oder Schminke trug, ein singendes, tänzelndes Elfchen oder ein gestandener Mann, war, der wusste, „was er wollte“. Dauernd hatte man nach Liebe gesucht und dann den schnell zu kriegenden kleinen Fick genommen. Es machten ja alle.

Das zeigt Felix Rexhausens Betthistörchensammlung wahrlich: dass es von uns keiner erfunden haben kann! So blöde, langweilig, grotesk und komisch war es alles schon einmal. Wie schreibt der ostdeutsche Erzähler Michael Sollorz in seinem Nachwort: „wie S. das selber kennt, als wäre er der Erfinder“.

Zitat:

Selbstliebe, Eitelkeiten, Charmiersucht, Lyrismen, Empfindlichkeiten, die Verwechslung von Sex mit Herzenssympathie und Liebe und umgekehrt - das alles legt, um tausend kleinen Lästigkeiten zu entgehen, Lügen nah. Und aus beiden Gründen wird bei vielen Schwulen das Lügen so sehr geübt und auch erwartet, daß ihnen die Lüge nicht als etwas Falsches, sondern als ein selbstverständliches - und unabdingbares - Mittel der Daseinsbewältigung erscheint. Lügen als zweite Natur, so daß selbst das, was wie Ausdruck von Herzenszärtlichkeit aussieht, oft nur sanft verlogener Ausdruck der routinierten Charmiersucht sein kann und: selbstbezogene Nettheit zu sich selber.


[*] Diese Rezension schrieb: Klaus Mattes (2017-02-14)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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