Wanda, halb Neapolitanerin halb Deutsche, zieht aus beruflichen Gründen nach Venedig. Sie hat eine Arbeit als Kuratorin am Museo Orientale angeboten gekriegt und zudem einen Onkel bei dem sie wohnen kann. Dieser, Radomir Radziwill, schwul und 82-jährig, rüstig und redselig versucht seine Nichte in die venezianische Gesellschaft einzuführen und benutzt dazu rauschende Feste, zu denen vor allem junge Herren und alte Damen eingeladen werden. Eigentlich die perfekte Klientel für Onkel und Nichte sich zu verlieben, doch es wird dann doch der Gondoliere Primo in den sich beide – trotz des schlechten Rufs der Gondolieri – verlieben. Aufgrund der sexuellen Ausrichtung Primos hat Wanda selbstverständlich am Ende dann mehr Erfolg, aber die Liebesgeschichte wollen wir hier nicht vorwegnehmen, denn es geht ja eigentlich um die Liebe zu Venedig, nämlich die Liebe der Autorin zu Venedig, einer Stadt, in der Petra Reski selbst schon seit längerem lebt.
Überraschend ist gerade aus dem Grund, dass die Autorin die Stadt ja schon damals (1999) sehr gut hätte kennen müssen, der Umstand, dass doch wieder nichts als Klischees dabei herauskommt: der Canal Grande ist immer „weltbekannt“ und die Accademia Brücke immer „berühmt“. Vielleicht hat die Autorin ja geglaubt, dass diese aggetivi aggiunti Teil des Namens dieser Sehenswürdigkeiten sind? Aber egal, kommen wir zuerst zum Konzept dieses 360-Seiten starken Romans. Da ist auf der einen Seite die Geschichte der 35-jährigen Neapolitanerin Wanda mit ihrer Tomatenallergie, die Venedig kennen und lieben lernt und im Palazzo Dario bei ihrem Onkel wohnt, auf der anderen Seite erzählt uns die Reski in kleinen Kurzgeschichten aber auch die Geschichte der vorherigen, tatsächlichen Bewohner des Palazzo Dario, darunter ein gewisser Robert Boulder (?), Fabio delle Fenestrelle (nomen est omen), Mick Swinton, Massimo Miniato und AldoVergato. Diese Charaktere sind mehrheitlich schwul und zumeist aufgrund eines Liebesdramas verschieden, ein Klischee, das evt. auch auf Onkel Radomir Radziwill bald zutreffen könnte?
Neben diesen beiden Rahmenhandlungen erfährt man natürlich noch viel mehr über das Leben und Sterben in einer der ruchlosesten Städte der Welt. Auch wenn das 20. Jahrhundert weit weniger mystisch und aufregend ist, da die Stadt hauptsächlich vom Gespenst des Tourismus heimgesucht und stranguliert wird, ist es doch immer wieder spannend und animierend, in der ruhmreichen Vergangenheit Venedigs zu graben. Das gelingt der Journalistin Reski vor allem dann, wenn sie den Ursprung des Fluches in der Tatsache findet, dass der Erbauer des Palazzo Dario, richtig, ein Mann namens Dario, vom Dogen Giovanni Mocenigo damit beauftragt wurde, einen Friedensvertrag mit den Türken auszuhandeln. Dabei muss auch erwähnt werden, dass Giovanni (sic!) Dario kein Adeliger, sondern nur ein „Bürgerlicher“ und es ihm dennoch gelang, ein Haus am Canal Grande erbauen zu dürfen. Der Fluch des Palazzo Dario könnte also einerseits daher rühren, dass Dario mit den Türken, also namens mit Mohamed II., verhandelt hatte und andererseits, dass er unter dem Stand der sonstigen Stadtväter und Mitglieder des Großen Rates war. Als er selbst endlich den Palast bezog, war Dario übrigens schon 75 Jahre alt und es bedurfte wohl keines Fluches mehr, um ihn bald darauf hinzuraffen.
Petra Reski, Journalistin und Romanautorin, hat ein amüsantes Buch geschrieben, dass sicherlich der Belletristik zuzuordnen ist, aber dennoch mit ein paar interessanten Fakten aufzuwarten hat und das venezianische Lokalkolorit bestens auszuschlachten weiß. „Venedig ist keine Stadt, sondern eine Lebenseinstellung und nur wer einmal selbst dort gelebt hat, wird verstehen, was damit gemeint ist. Besonders lustig sind übrigens die Bräuche von Wandas Vater, der vom Aberglauben getrieben, ihr immer wieder lustige Überlebenstipps für das Leben in dem verfluchten Palast telefonisch durchgibt: „Und geh nicht mehr zum Enthaaren! (…) Jedes Haar schützt dich! Achselhaare, Haare an den Beinen. Haare, wo immer sie wachsen!“ Frauen seien für Flüche nämlich deswegen empfänglicher, weil ihr nackter Körper eine ungeschützte Angriffsfläche biete. „Haare leiten nämlich ab!“ Na, wenn das mal hilft!