Der Buchmarkt ist überschwemmt von Ratgebern und Traktaten, in denen Menschen aus den unterschiedlichsten Traditionen ihren Lesern etwas vermitteln wollen von Spiritualität und dem Sinn des Lebens. In diesem unüberschaubar gewordenen Angebot gibt es Bücher von Menschen, die wirklich ernst zu nehmen sind. Ich denken dabei insbesondere an die Werke von Richard Rohr, unter denen ich insbesondere „Pire Präsenz“ empfehlen möchte. In diesem grundlegenden und gut lesbaren Buch, das von Kritikern aus Amerika wie etwa Jim Wallis als sein bisher wichtigstes bezeichnet wird, will er eine "Generalbotschaft" vermitteln:
"Alles Reden muss durch Schweigen ausbalanciert werden. Alles Wissen muss durch Nichtwissen relativiert werden. Ohne diesen Ausgleich wird Religion unweigerlich arrogant, ausgrenzend und sogar gewalttätig. Alles Licht muss austariert werden durch Finsternis und jeder Erfolg durch Leiden. Der Heilige Johannes von Kreuz nannte dies die 'leuchtende Dunkelheit', der Heilige Augustinus das 'österliche Geheimnis' oder das 'notwendige Pessach' und Katholiken proklamieren es bei jeder Eucharistiefeier ausdrücklich als das Geheimnis des Glaubens: Tod und Auferstehung gehören zusammen. Aber dieses Axiom ist nur selten der reale Kern unserer Existenz".
Das liegt nach Richard Rohr auch daran, dass selbst gläubige Menschen die Welt in Dualismen sehen. Richtig oder falsch, weiß oder schwarz etc. Für ihn ist Kontemplation, zu der er seine Leser anleiten und einladen möchte eine "nichtdualistische Weise, den gegenwärtigen Augenblick zu sehen".
Selbst bibelfeste Christen werden aus dem Staunen nicht herauskommen, wenn sie offen und innerlich für neue Erkenntnisse bereit ( das ist allerdings ein notwendige Voraussetzung für das Verstehen des Buches!), lesen, wie Richard Rohr, die biblische Botschaft interpretiert.
Alexandra Reinwarths Buch und ihr Bericht über ihre Sinnsuche kommt leichter daher, doch nicht weniger ernsthaft. Sie ist nicht so wie Rohr von vornherein einer bestimmten spirituellen Tradition verpflichtet bzw. eingewurzelt, und geht so unvoreingenommen auf die Suche. Dabei lässt sie kaum ein Sinnangebot aus, das der große Markt der Esoterika seinen Abnehmern offeriert. Engelschule, Reiki, Trance-Tanz und Fasten und vieles anderes mehr – alles probiert sie aus und erzählt davon in einem lockeren, stellenweise skurrilen, immer aber emotionalen und witzigen Stil. Auch einen ganz speziellen christlichen Gottesdienst hat sie besucht und ihre Eindrücke festgehalten.
Mit ihrer Einteilung des Buches und ihrer Suche wären, glaube ich , alle spirituellen Lehrer einverstanden:
1. Der geistige Weg: Geistige Erfüllung durch Spiritualität
2. Der körperliche Weg: Das Finden der inneren Mitte
3. Der seelische Weg: Innerer Frieden und Zufriedenheit
Alexandra Reinwarth ist es hervorragend gelungen, ein Thema, das auch viele jüngere Menschen beschäftigt so aufzubereiten und mit einer persönlichen und authentischen Note zu versehen, dass es diesen Leserkreis zu erreichen vermag. Der Sinn des eigenen Lebens, verändert sich im Laufe desselben, aber man kann nie früh genug anfangen, nach ihm zu suchen und immer wieder einen Windhauch davon für sich zu erhaschen.
Alexandra Reinwarth, Das „Sinn des Lebens“-Projekt. Wie ich auszog, um die großen Fragen des Lebens zu beantworten, mvg 2013, ISBN 978-3-86882-291-5
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2013-10-25)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.