„Ein Thema, das in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eher marginalen Charakter hatte, ist heute in den Mittelpunkt des politischen und wissenschaftlichen Diskurses gerückt“, schreibt der Autor in seinem Vorwort und verweist damit auf einen Umstand, der nicht zuletzt durch die sog. „Flüchtlingskrise“ offensichtlich wurde: die Vernetztheit der Welt und die globale Verknüpfung der Geschichte, die kein Ende findet, wie so manche Apologeten nach dem Zusammenbruch des Ostblocks noch zu hoffen wagten. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts steht nun der Nord-Süd-Konflikt auf der Tagesordnung, der ebenso wenig mit Abschreckung zu gewinnen sein wird, wie es der erstere war. Denn wirkliche Veränderung kann nur durch politische Reformen erzielt werden, und schon sind wir mitten in der Diskussion.
Divide et impera!
Von Anfang an sei Europa mit dem Prozess der eigenen Expansion identisch gewesen, schreibt Reinhard, Denn die Erbin des Imperiums, die Römische Kirche, expandierte mit ihrer Mission zuerst in den nordalpinen Raum und machte seine bewohner zu leateinischen Christen. So war territroiralie Expansion als Mittel und Ziel zugleich ein integriedner Bestandteil Europas. Europäische Expansion sei entgegen seines mythologischen weiblichen Ursprungs aber immer Männersache gewesen und immer mit sehr viel Gewalt verbunden gewesen. Auch wenn die Kontrolle über die überseeischen Kolonialreiche nie besonders intensiv gewesen sei, war ihre Ausbeutung umso effizienter. Die viel gerühmte indirect rule mittels indischer Fürsten oder nordnigerianischer Emire sei aber nicht Ergebnsi britscher Weisheit sondern vielmehr deren Sparsamkeit gewesen. Frei nach dem alten imperialen Prinzip: „Divide et impera!“.
Seid fruchtbar und vermehret Euch!
Die europäische Expansion des 19./20. Jahrhunderts werde allgemein als Imperialismus bezeichnet, das ganze System der Kolonialherrschaft als Kolonialismus. Aber eigentlich bedeute Kolonie ja nur Neuansiedlung, die auch selbständig unter der Kontrolle der Siedler sein könne. Der Minimalinhalt des Begriffs Kolonie sei also Siedlung oder Herrschaft , der Maximalihalt Siedlung und Herrschaft. Reinhard sieht als Gründe für die Vormachtstellung Europas in der Welt besonders die Institution der Universität an, da diese eine bestimmte Wissenskultur und damit die Neugierde pflegte. Die Wissenskultur habe den christlichen Willen zur Weltmission unterfüttert und frei nach dem biblischen Motto „Gen 1,28: Seid fruchtbar und vermehret Euch!“ gehandelt oder doch einen Persilschein für dieses Handeln ausgestellt. Aber auch Reinhard räumt ein, dass die westliche Eroberung der Welt natürlich noch viel komplexer war, da sie auch von den Expansionen anderer Reiche begleitet wurde und ein Transfer verschiedener Kulturen zu einer Vormachtstellung geführt haben könnte.
Reinhard, Wolfgang
Die Unterwerfung der Welt
Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015
2016. 1648 S.: mit 122 Abbildungen und Karten. In Leinen
ISBN 978-3-406-68718-1
Das Werk ist Teil der Reihe: (Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung)
Erschienen: 09.03.2016
58,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-06-16)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.