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Carol Reed - Der Dritte Mann
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Reed, Carol :
Der Dritte Mann

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(Bücher frei Haus)

„The third man - the man on every women’s lips“, sagte Alida Valli lasziv im Trailer zum vorliegenden Film und deutet damit eine erotisch-romantische Note an, die der Film selbst dann nur in Ansätzen halten kann. Als „comedy thriller“, „best English film of all times“ wurde Carol Rees Verfilmung der Erzählung von Graham Greene gerne bezeichnet und dabei durchaus neben den All-Time-Favourite Film Casablanca gestellt, doch während dieser durchaus Optimismus ausstrahle, sei „Der Dritte Mann“ eher von Pessimismus in einem zerbombten Wien gekennzeichnet, in dem kriminelle Schieber die Stadt kontrollierten und Bestechung auf der Tagesordnung stehe, so die Dokumentation in den Extras der hier vorliegenden Special Edition des Dritte Mannes. Aber die Schlussszene des Films am Zentralfriedhof in der Holly Martins (in der Buchvorlage: Rollo Martins) aus dem fahrenden Auto aussteigt um auf Anna (Alida Valli) zu warten, kann durchaus als „Happy End“ gewertet werden und ist somit sogar optimistischer als Casablanca. Die Totale in der Anna auf Holly, der am linken Bildrand auf sie wartet, zuschreitet ist aber nur einer der cineastischen Hochgenüsse dieses außergewöhnlichen Filmes, dem sich in Wien, dem genius loci des Films, sogar ein ganzes Museum gewidmet hat.

Wien nach dem Krieg
Das immer noch zerstörte und nur teilweise wiederaufgebaute Wien wird zum Schauplatz der Suche des amerikanischen Schriftstellers Holly Martins, der in den Ruinen der Stadt seinen alten Freund finden will. Aber ausgerechnet am Tag seiner Ankunft wird Harry Lime beerdigt und es soll nicht einmal schade um ihn gewesen sein, da er als skrupelloser Schwarzmarkthändler gestrecktes Penicillin an kranke Kinder verkauft haben soll, einzig, um „einkommenssteuerfreien“ Profit zu machen. Zuerst will Martins die Geschichte, die ihm der englische Offizier (im Buch der Erzähler) über seinen ehemals besten Freund erzählt, gar nicht glauben, doch dann macht er sich auf eigene Faust an die Ermittlungen und verliebt sich in deren Verlauf sogar in Lime’s Freundin Anna. Ein Besuch bei den kranken Kindern im Krankenhaus überzeugt ihn aber, seinen Freund zu verraten und so der Gerechtigkeit zum Ziel zu verhelfen. Denn wie er bald herausfindet, hat Harry Lime – ähnlich wie Christopher Marlowe- seinen Tod nur inszeniert.

„Man hat eam oadraht“: Schatten, Reflektionen und Träume
Nicht nur die Schauplätze wie etwa das Casanova Revue Theater in der Innenstadt oder das Riesenrad im Wiener Prater zeigen Reeds Filmkunst als Hommage an das italienische neorealistische Kino eines Visconti oder Rossellini, denn die Bilder überzeugen durch ihre eindringliche Strahlkraft im Halbdunkel der Halbwelt. In einer Szene in der Mölkerbastei bekommt auch eine Katze eine Hauptrolle und allein dafür wird der Zuseher den Film schon lieben, so liebevoll und realistisch ist die Szene inszeniert und umgesetzt, denn das Straßenpflaster reflektiert nicht nur die Scheinwerfer, sondern auch die Träume und Schatten der Protagonisten. Immer wieder kommen auch Bewohner der Stadt Wien vor, die die Handlung lakonisch kommentieren: eine Frau, die sich über das Quatschen beschwert, ein Ballonverkäufer aus dem Prater oder die unvergessliche Hausbesorgerin, die sich bei der Polizei, die die Wohnung von Anna durchsuchen, mit folgenden Worten beschwert: „Man ist nicht mehr Herr im eigenen Haus“. Natürlich bezieht sich dieser Satz auf die Tatsache, dass das ganze Land von den Alliierten bis 1955 „besetzt“ war und Österreich erst durch den Staatsvertrag desselben Jahres seine staatliche Souveränität wieder erlangte. Der unvergesslichste Satz stammt aber wohl von einem kleinen Jungen, der im Wiener Dialekt vermutet: „Man hat eam oadraht“.

“Zithermania“ oder die Kuckucksuhr
Der Film glänzt vor allem auch dadurch, dass er zwar einen zutiefst politischen Situation beschreibt, diese aber nicht propagandistisch (etwa gegen die Sowjets) ausschlachtet, sondern sich ausschließlich auf Charakterstudien spezialisiert. Orson Welles soll für seine paar Shots, die zumeist – etwa in den Kanälen – ohnehin gedoubelt wurden immerhin 100.000 Dollar für ein paar Wochen Dreharbeiten bekommen haben. Besonders sein Sager am Höhepunkt des Wiener Riesenrads ist in die Filmgeschichte eingegangen: „Die Schweiz: 500 Jahre Demokratie, einzige kulturelle Errungenschaft: Kuckucksuhr.“ Holly Martins (Joseph Cotten) soll Lime (Orson Welles) an die Wand gespielt haben und am Ende, wenn sich die beiden wie in einem Western gegenüberstehen, erweist Martins Lime die letzte Gnade. Die Hinrichtung als Akt seiner Freundschaft? Lime soll genickt haben. Eine „Zithermania“ ist damals übrigens in England und Amerika ausgebrochen, da das „Harry Lime Theme“ von Othmar Karas dort den ersten Platz der Charts erreichte. Die Finger im Kanaldeckel, die Lime auf der Flucht zeigt, stammen übrigens vom Regisseur selbst: Welles war wohl gerade mal wieder nicht verfügbar.

Die DVD ist digitally remastered. Die Special Edition erscheint inklusive neuen Extras und einem ausführlichen Booklet des britischen Filmwissenschaftlers Charles Drazin. Folgende EXTRAS: „Gefährliches Spiel“ – Graham Greene Dokumentation; Alternativer Anfang für die USA; Audiokommentar von Guy Hamilton, Simon Callow & Angela Allen; „Der dritte Mann“ im Radio; „Der dritte Mann“: Auf den Spuren des Dritten Manns; Die Restaurierung; GUARDIAN-NFT-Interview mit Joseph Cotton und Graham Greene; Interaktive Karte von Wien mit Kurzfilmen mit Brigitte Timmermann; Interview und Zithermusik mit Cornelia Meyer; Booklet; Wendecover.

Carol Reed
DER DRITTE MANN / SPECIAL EDITION / DIGITAL REMASTERED
DVD DoppelOriginaltitel: Der dritte Mann (Krimi, Thriller,Großbritannien 1949), ca. 101 Minuten FSK 12
Mit Orson Welles (Der Prozess, Citizen Kane, Macbeth), Joseph Cotten (Citizen Kane, Der Glanz des Hauses Amberson), Alida Valli (Sehnsucht, Suspiria, Das Schreckenshaus des Dr. Rasanoff), Trevor Howard (Gandhi, Superman, Schlacht in den Wolken)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch (Mono DD)
Untertitel: Deutsch

[*] Diese Rezension schrieb: jürgen Weber (2016-05-12)

Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.


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