Deutschland ist bei der Zahl der durchschnittlichen jährlichen Arztbesuche aller Einwohner seit langem einsamer Spitzenreiter. Und dennoch nimmt, wie man gestern in den Nachrichten hören konnte, speziell die Zahl der durch mangelnde Bewegung und Stress bedingten Rückenleiden dramatisch zu, von den seelischen Krankheiten wie Depression und Ausgebranntsein ganz zu schweigen.
Für die Autorin des vorlegenden Buches, die amerikanische Ärztin für Körper-Geist-Medizin, Lissa Rankin wären solche Nachrichten Wasser auf ihre Mühlen und ein deutlicher Hinweis darauf, wie wenig sich die deutsche Bevölkerung auf die Kunst des „radical-self-care“ versteht.
Darunter versteht sie das Achten nicht nur auf die körperlichen, sondern auch auf die seelischen Bedürfnisse. Denn eines ist selbst in der Schulmedizin bislang deutlich bewiesen: es ist eben nicht nur der gesunde Körper, der die Basis bildet für Gesundheit und Wohlbefinden. Sondern wenn wir wirklich gesund bleiben oder es werden wollen, müssen wir dringend chronischen Stress reduzieren. Bei aller früher so nicht gekannten Belastung der meisten Menschen an ihrem Arbeitsplatz, sind doch die wesentlichen Stressfaktoren in den selbstgewählten Anforderungen des Alltags und der Freizeit zu suchen. Überall dabei sein, ständig erreichbar sein, alles mitnehmen, was geht. Es ist gerade die Gesamtbilanz aus persönlichen Beziehungen, Arbeit, Sexualität, finanzieller Sicherheit, Spiritualität und kreativem Selbstausdruck, die nach Ansicht von Lissa Rankin bei den meisten Menschen aus dem Gleichgewicht geraten ist und sie krank macht. Alle diese Lebensbereiche müssen wieder in einem Einklang gebracht werden. Je mehr dies gelingt, werden die vorhandenen und von der Schulmedizin auch nicht bestrittenen Selbstheilungskräfte des Menschen aktiviert und stabilisiert.
Wie man einen solchen Prozess für sich selbst beginnen, ihn fortsetzen und in sein Leben implementieren kann, das zeigt sie in sechs Schritten:
1. Auf die eigenen Selbstheilungskräfte vertrauen
2. Sich die richtige Unterstützung suchen
3. Hören Sie auf Ihren Körper und Ihre Intuition
4. Diagnostizieren Sie die tieferen Ursachen Ihrer Krankheit
5. Schreiben Sie sich selbst ein Rezept
6. Lösen Sie sich von allen Erwartungen bezüglich des möglichen Ausgangs
Viele Fragebögen und vorgeschlagene Übungen helfen dem Leser dabei, einen solchen Prozess zu starten. Ich bin aus eigener Erfahrung sicher: wer an einigen Stellen seines Lebens einen solchen ehrlichen und selbstkritischen Prozess beginnt, wird sich bald besser fühlen und sein Leben bereichert sehen. Eins ist wichtig, und das betont die Autorin auch an vielen Stellen ihres lesenswerten Buches: egal, ob man einer bestimmten Religion angehört: wer diesen Prozess nicht als einen auch und gerade spirituellen für sich entdecken kann, wird nicht sehr viel weiter kommen.
Lissa Rankin, Mind over Medicine. Warum Gedanken oft stärker sind als Medizin, Kösel 2014, ISBN 978-3-466-34597-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-06-18)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.