Gabriel Pfeiffer ist ein sehr erfolgreicher Literaturagent. Zusammen mit seiner rührigen Mitarbeiterin Leonore kann er sich in diesem Jahr über den Deutschen Buchpreis für einen von ihm vermittelten jungen Autor freuen. Einen Autor, den er aber im Stillen verachtet, weil er weiß, wie durch die harte Arbeit von Leonore das voluminöse Manuskript erst in eine lesbare Form gebracht wurde.
Zwischen Leonore und Gabriel gibt es subkutan mehr als nur ihre erfolgreiche Arbeitsbeziehung, zumindest von ihrer Seite her ist das so. Mitten auf der Buchmesse, einen Tag nach der Verleihung des Buchpreises und am ersten offiziellen Buchmessentag nähert sich mit einer ledernen Aktentasche unter dem Arm ein junger Priesterschüler dem Literaturagenten und spricht ihn mit den Worten an: „Es geht um Gott.“ Matthias sei sein Name und er wolle ihm einige wichtige Unterlagen geben. Er sei sich sicher, eine bedeutende Entdeckung gemacht zu haben. Er habe ihn ausgewählt, weil er wisse, dass auch Pfeiffer auf einem kirchlichen Internat gewesen sei und sie beide dieselbe Leidenschaft verbinde. Und dann ist er auch schon weg.
Gabriel Pfeiffer steckt den Umschlag mit den Unterlagen ein, und dann nimmt die Buchmesse ihren Lauf. Über viele Seiten schildert Edgar Rai sehr amüsant das Gewese um Autoren und Verleger und das Schaulaufen um die wichtigsten Bücher und Figuren.
Einige Tage später sieht er auf einer Veranstaltung zu dem von ihm gecoachten Preisträger zufällig eine Ausgabe des „Alt-Neuöttinger Anzeigers“, das er lustlos durchblättert und im Regionalteil auf einen Artikel mit dem Titel „Tod auf der Empore“ stößt. In der Kapelle des Seminars St. Jacobus in Gödelsburg wurde der 17 - jährige Seminarist Matthias G. tot aufgefunden. Gabriel erkennt in dem Opfer sofort den jungen Mann, der ihm so geheimnisvoll einige Tage zuvor seine Unterlagen übergeben hatte. Wie das Exemplar einer solchen Provinzzeitung allerdings in den großen Veranstaltungssaal auf der Frankfurter Buchmesse gelangte, konnte ich nicht nachvollziehen. Ein Kunstgriff, mit dem Edgar Rai aber die Handlung ins Rollen bringt.
Denn nun öffnet Gabriel Pfeiffer den Umschlag und beginnt zu lesen von den Entdeckungen, die der junge Mann gemacht hat. Er liest von dessen Studien zu einem Engländer namens Burney, in dessen Aufzeichnungen er auf versteckte Hinweise gestoßen sei auf ein Dokument, das die Existenz Gottes beweise. Pfeiffer, der mit der Religion und mit Gott nichts mehr zu tun haben will, fängt dennoch sofort Feuer und macht sich auf, um auf eigene Faust zu recherchieren. Er fährt nach Gödelsburg, sucht in der British Library und kommt dem Geheimnis immer mehr auf die Spur. Und er findet heraus: tatsächlich geht es um Gott und den Glauben, aber auch um Leben und Tod. Und er lässt sich am Ende auf einen gefährlichen Deal mit dem ihm von Anfang an suspekten Leiter des kirchlichen Seminars in Gödelsburg ein…
„Die Gottespartitur“ ist ein rasant und spannend geschriebener, auf keiner Seite langweiliger und sehr anspruchsvoller Roman über Glaube und Zweifel mit amüsanten Ausflügen in die Welt der Büchermacher.
Edgar Rai, Die Gottespartitur, Berlin Verlag 2014, ISBN 978-3-8270-1149-7
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2014-03-31)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.