Die „Anthologie des Schwarzen Humors“ wurde einst vom Surrealisten André Breton herausgegeben und war auf Deutsch bei Rogner & Bernhard 1979 erschienen. Es versammelte so umstrittene Autoren wie D.A.F. de Sade, Thomas de Quincey oder Gide, Rimbaud, Jarry und viele andere mehr. Die von Thomas Raab herausgegebene Neue Anthologie des Schwarzen Humors steht nun in dieser Tradition und ganz unter dem Motto des Satzes von Tatjana Raskolnikova der eingangs zitiert wird: „Jeder Satz, der nicht mit `Ich´ beginnt, scheint sehr geheimnisvoll – ist aber eine Lüge!“
Rache der unterdrückten Eliten
In seiner Vorrede erklärt der Herausgeber, Thomas Raab, was für ihn schwarzen Humor ausmacht: er müsse der Realität zu ihrem Recht verhelfen und nicht - wie zu Bretons Zeiten - der Realität Spiel, Phantasie und Traum entgegen halten. Verantwortlich für diese 180 Grad Drehung macht er die Massenmedien, da diese das Grauen bereits zum Alltag gemacht hätten. Raab unterscheidet mit Freud auch zwischen Witz und Humor: „Der Witz als Äußerung ist also immer an andere gerichtet und daher kommunikativ, der Humor hingegen kann auch – im Extremfall permanent – nach Innen gerichtet sein (Freud 1927)“. Humor sei die „habituelle Einstellung, Unangenehmes in Witz `umzufühlen´“. Die kognitive Ursache von Witz und Humor sei dann nicht das Unverstehen, sondern das Umverstehen einer Sache, so Raab (Hervorhebung durch TR). Die schleichende Subversion sei eben der normale modus vivendi des schwarzen Humors und die Rache der „unterdrückten Eliten“. Als Lebenseinstellung ist er damit aber quasi auch mit der Melancholie verwandt, Raab nennt ihn den „aggressiven Bruder der Melancholie“. Schwarzer Humor ist aber nicht nur Kritik, sondern auch Selbstkritik, denn wer nicht über sich selbst lachen kann, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen.
Nicht nur britischer schwarzer Humor
Die „Neue Anthologie des Schwarzen Humors“ beinhaltet Texte von Gogol, Melville, Carrington oder Stein, Kathy Acker, Oswald Wiener oder Frank Zappa, Michel Houellebecq oder Maria Fusco, Stefanie Sargnagel u.v.a.m., also ein Ritt quer durch die Jahrhunderte. Zwischen den einzelnen Kapiteln sind auch einige Kunstbeiträge genannte Interventionen abgebildet.
Thomas Raab (Hrsg.)
Neue Anthologie des Schwarzen Humors
2017, Marix Verlag, 404 S., Leinen geprägt, 12,5 x 20 cm.
EAN: 978-3-7374-1042-7 https://www.verlagshaus-roemerweg.de
22,00 €
[*] Diese Rezension schrieb: Jürgen Weber (2017-09-15)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.