Der neue Roman der amerikanischen Erfolgsautorin Anna Quindlen, die das seltene Talent hat, seit langer Zeit sowohl das breite Publikum als auch die Literaturkritiker zu überzeugen, erzählt von einer Frau Anfang sechzig. Rebecca Winter, von deren Leben und deren späten Neuanfang dieser Roman handelt, ist also etwa genauso alt wie die Autorin selbst. Dass man in jedem Alter sein Leben ändern, noch einmal ganz von vorne anfangen kann, das hat Anna Quindlen selbst erlebt, und das lässt sie auch ihre Protagonistin erfahren: „In meinen Dreißigern habe ich mich als Mutter neu erfunden, als Romanautorin in meinen Vierzigern. Dass wir heute länger leben, ermöglicht es uns, ganz verschiedene Lebensentwürfe miteinander zu kombinieren – und uns auch mit sechzig noch einmal neu zu erfinden“, sagt Anna Quindlen in einem Interview zu ihrem Buch, das sich in den USA 250 000 mal verkauft hat.
Oft geschieht das zunächst einmal unter einer Zwangslage. So geht es auch Rebecca Winter, ehemals sehr erfolgreiche und durch ihre eher zufällig entstandenen Bilder berühmt und reich gewordene Fotografin.
Als die Nachfrage nach ihren Produkten schwindet und ihre Einnahmen zurückgehen, muss sie ihre Wohnung am Central Park in New York vermieten und zieht in eine ziemlich heruntergekommene Jagdhütte auf dem Land. Für alles ist sie nun selbst zuständig, und sie hat zu Beginn ihrer Zeit dort keine Ahnung, wo das alles enden wird. Doch sie schafft es mit jeder Woche dort mehr, sich von allen Erwartungen, die an sie herangetragen werden zu distanzieren. Als Frau, als Mutter und auch als Künstlerin. Die durch den Umzug auf das Land gewonnene Freiheit irritiert sie zunächst, eine Erfahrung, die die meisten Menschen machen, die sich freiwillig oder gezwungenermaßen auf einen Neuanfang einlassen. Doch immer mehr im Verlauf der Handlung lernt Rebecca Winter diese Freiheit zu lieben, sie wert zu schätzen und sie für einen nicht für möglich gehaltenen mutigen neuen Anfang und Aufbruch zu nutzen.
Etwas, was Anna Quindlen ihren früheren Romanen nie getan hat, bot sich, wie sie sagt, hier bei dieser Geschichte geradezu an: Sie hat ihn komponiert nicht nur als Befreiungsgeschichte, sondern auch als Liebesgeschichte mit einem Happyend.
Mehr soll hier nicht verraten werden von einem Roman, der sich leicht und unterhaltsam liest, und dennoch niemals seinen literarischen Anspruch verliert.
Anna Qunidlen, Ein Jahr auf dem Land, DVA 2015, ISBN 978-3-421-04666-6
[*] Diese Rezension schrieb: Winfried Stanzick (2015-03-19)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.