Kaum ein Werk der amerikanischen Filmgeschichte hatte einen derartig durchschlagenden, lang anhaltenden, sensationellen und nachhaltigen Erfolg wie der Pate. Mit den Italo-Amerikanern Mario Puzo als Autor und Francis Ford Coppola als Drehbuch-Kompagnon und Regisseur gelangen quasi Natives des beschriebenen Kulturkreises, Hintergründe, Milieu und Motivlage einer imperialen Vorgehensweise in einer Art und Weise darzustellen, dass sich die Zuschauer quasi simultan in einem Action-Krimi wie in einem voluminösen Epos über das alte Rom wähnten. Denn das Phänomen der amerikanischen, von sizilianischen Italienern geformten und geführten Mafia, ist die Verquickung der vorgefundenen Lebenswelt mit imperialen Prinzipien.
Nach einem derartigen Erfolg ist es kein Wunder, dass man plante, dem Dreiteiler, der mit der Herrschaft der Corleones in New York beginnt, noch einen vierten Teil folgen zu lassen, der den Aufstieg der Familie in den dreißiger Jahren beschreibt. Zwar waren in dem vorhandenen Filmepos immer wieder Rückblenden zu finden, die den Werdegang der Protagonisten reflektierte, aber die Dimension des gesamten Aufstiegs erreichten sie nie.
Mario Puzo selbst hatte die Idee und schrieb das Regiebuch. Als Autor des Romans fungiert mit Ed Falco ein versierter Mann aus Brooklyn, der das Metier aus dem Effeff kennt. Das vorliegende Buch mit dem schlichten Titel Die Corleones beginnt im New York des Jahres 1933, das insofern eine konstituierende Bedeutung für neue Einflusssphären hatte, als dass das Ende der Prohibition kurz bevorstand und in New York der erste italienisch-stämmige Bürgermeister, La Guardia, gewählt wurde. Der Kampf um Macht und Einfluss ging in eine neue Runde und es stellte sich die Frage, mit welchen Methoden der Erfolg gesichert werden konnte.
Neben den für manche Aficionados des Paten so interessanten Fragen wie die eigentliche Herkunft des Ziehsohnes und späteren Justiziars der Familie Tom Hagen oder die erschütternde Vorgeschichte des Monsters Luca Brasi, der später als Guard des Paten Vito Furcht einflößte, sind in Falcos/Puzos Roman andere Aspekte von hohem Interesse. Wer will, kann beobachten, woran z.B. die Iren im Kampf um die Macht scheiterten und warum Figuren wie Guiseppe Mariposa innerhalb des italienischen Lagers sich zunehmend isolierten.
Es geht um Dinge, die zunächst absurd erscheinen, aber letztendlich wahr sind: Auch in der kriminellen Struktur gibt es Programme und Kodizes, die ausschlaggebend sind für Erfolg und Misserfolg. Vito Corleone versteht es, sein Imperium so zu bauen, dass die Mitglieder und Gepressten dennoch das Gefühl von Schutz und Wohlstand haben. Er weiß zu gut, dass die Maxime nicht immer erreichbar ist und er hat das, was man heute strategische Kompetenz nimmt. Er taxiert die Figuren in seinem Machtspiel nach ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten, er gewinnt ihre Loyalität, wenn er sie vernichten könnte und er weiß vor allen anderen, dass es wichtig, ja überlebenswichtig, seinen Einfluss in Politik und Justiz zu sichern. Vito Corleone erhält die Kontur eines großartigen Diplomaten, der durch seinen strategischen Plan den anderen, zwar kraftvollen, aber in Machtfragen dilettierenden Mitspielern überlegen ist.
Für die, die sich für das Phänomen der Machtmetapher, die ja auch die Serie der Sopranos so überaus erfolgreich gemacht hat, interessieren, ist Die Corleones ein gelungenes Buch, das vieles hergibt. Lediglich die Übersetzung erweckt den Eindruck, mit der beschriebenen Welt doch etwas zu fremdeln.
[*] Diese Rezension schrieb: Gerhard Mersmann (2012-09-10)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.