Der Titel deutet schon an, mit welchem Genre es der Leser zu tun bekommt: „Hendrikje, vorübergehend erschossen“ ist der Versuch eines makaber-humorvollen modernen Schelmenromans. Hendrikje ist eine Hamburger Malerin, hat ihre erste große Ausstellung in Aussicht und verdient sich ihren Lebensunterhalt als Kellnerin. Sie wird dargestellt als eine eher unscheinbare Frau Mitte Dreißig, über die plötzlich haarsträubende Schicksalsschläge hereinbrechen: ihre Großmutter, bei der sie aufwuchs, stirbt, ihr Atelier brennt mitsamt ihrem Oevre ab, die Versicherung zahlt nicht. Hendrikje sitzt nun auf einem Schuldenberg von weit über 100.000 Euro, ihr Lebensabschnittsbeischläfer (von Freund zu sprechen, wäre ein unverantwortlicher Euphemismus) hat eine andere – sie beschließt, sich das Leben durch Erhängen zu nehmen. Doch auch das geht schief. Im zweiten Anlauf mit der Hilfe von nicht ganz uneigennützig handelnden Bekannten soll Gift zum gewünschten Resultat führen. Am Ende der Aktion sind zwei Menschen tot, Hendrikje aber lebt nach wie vor und muss wegen Totschlags hinter Gitter. Sie wird in der Haft psychologisch betreut und resümiert die Geschehnisse ihrer Therapeutin gegenüber. Dies geschieht in der Ich-Form, in allen anderen Abschnitten des Buches im wesentlichen in der dritten Person aus Sicht der Protagonistin. Auf den bewusst schnoddrigen Alltagsjargon, mit dem die Autorin diese Geschichte präsentiert, kann man sich durchaus einlassen, ebenso auf die Tatsache, dass der unglückseligen Ereignisse doch für manchen Geschmack etwas viel auf einmal sein mögen. Schwerer wiegt da schon, dass die Person der Pechmarie Hendrikje zwischen selbstquälerischer Naivität und ironischer Distanz hin und her changiert, was man ihr nicht ohne weiteres abnimmt. Dass die Autorin Ulrike Purschke vor allem auch Drehbuchautorin ist, wirkt sich auf ihr temporeich angelegtes Romandebut sehr positiv aus. Auch die Dialoge und die Charakterisierung der meisten anderen handelnden Personen sind, wenn schon nicht wirklich originär, so doch sauber ausgeführt und überzeugend. Man fühlt sich ein wenig an die Henry-Wilt-Romane von Tom Sharpe erinnert, überhaupt scheint eine ordentliche Portion britischen Humors durch. Vor allem in der Beschreibung liebevoller Details wie beispielsweise der Figur des hanseatischen Cafébesuchers, der in aller Öffentlichkeit seinen Fußpilz mit einer Tinktur behandelt oder in den alltagsphilosophischen Essays des von Hendrikje so heiß verehrten Kolumnisten Sugar Brown offenbaren sich die Stärken des Buches. Bei aller Kritik überwiegt bei der Lektüre doch das Amusement über den Fortgang der haarsträubenden Handlung, so dass man Ulrike Purschke auch das ein wenig konstruiert wirkende Happy End verzeiht, ohne das die verfolgte Erzählstrategie natürlich nicht ganz aufgegangen wäre.