Peter Probst hat schon einiges an handwerklich hervorragender Krimikost, vor allem für Fernsehproduktionen, abgeliefert. Einige „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ Folgen stehen auf seiner Werkliste von ca. 90 Drehbüchern. Nun wendet sich Probst mit seinen hervorragenden stilistischen Mitteln der rechten Szene mittels einer neuen Ermittler-Figur zu. Dort, wo manipulierte und fehlgeleitete Handlanger immer wieder in die erste Reihe von denen geschickt werden, die sich öffentlich weit von aller Gewalt distanzieren, um ihre politisch rechte Gesinnung hoffähig zu machen.
Die Geschichte:
Eine Amokfahrt im ersten Kapitel, der eine Gruppe junger Juden zum Opfer fällt, bildet den Auftakt zum ersten Fall des privaten Ermittlers Anton Schwarz.
Als ehemaliger Kriminalpolizist mit noch guten Verbindungen zu seinen alten Kollegen, seit drei Jahren getrennt von seiner Frau, versehen mit einer 21jährigen Tochter und sich über Wasser haltend mit einer Stellung als Wachmann für eine unbedeutende, karibische Botschaft, wird er von einem Rechtsanwalt, dem Onkel eines der Opfer, beauftragt, Licht in die Hintergründe des Amokfahrers zu bringen, die dieser im rechtsradikalen Bereich vermutet.
Licht in die „blinden Flecken“ soll Schwarz bringen. Welche blinden Flecken gemeint sind, bleibt der Anwalt nicht schuldig: "Ich bin seit mehr als dreißig Jahren Anwalt und immer wieder darauf gestoßen. Polizisten, Richter, Zeugen, alle leiden an diesem Phänomen….., entweder wird die jüdische Identität der Opfer ausgeblendet oder der rechtsextremistische Hintergrund der Täter. ………meistens aber geschieht es unbewusst." (S. 15)
Anton Schwarz, bis dahin eher unbedarft von Auswüchsen der rechten Gewalt und mit wenig Wissen über das moderne Judentum in Deutschland und seine Gefährdungen ausgestattet, nimmt die Ermittlungen auf. Zunächst bei seiner Frau, einer Schulrektorin, auf deren Schule Tim Burger Schüler war. Sein weiterer Weg führt von Beteiligten an der Amokfahrt über den Todesfahrer Tim Burger selber mitten hinein in den Strudel der rechten Prominenz. Mit dem Brand im Haus einer türkischen Familie, deren Sohn als Zeuge der Amokfahrt fungierte, beginnen die Ereignisse zu eskalieren. Selbst einige seiner alten Kollegen scheinen dabei auf dem rechten Auge blinde Flecken zu haben. Nicht nur er selber gerät damit mehr und mehr in das Fadenkreuz einer rechten Gruppierung, die gerade zu einer Parteigründung ansetzt. Auch seine Frau (die Trennung ist für Anton Schwarz auch nach drei Jahren nichts anderes als eine kurzzeitige Verwirrung der Liebe) und seine Tochter geraten genauso unter Beobachtung und in Gefahr, wie einige seiner Helfer. Anton Schwarz selbst entdeckt zudem im Verlauf seiner Ermittlungen durch einen Brief seiner Mutter, wie sehr er selbst familiengeschichtlich Teil der antisemitischen und fremdenfeindlichen Tradition rechter Gesinnung ist. Mehr und mehr werden die Ermittlungen damit zu seiner persönlichen Sache bis zum spannenden Ende hin.
Das Buch:
Auf 250 Seiten gelingen Peter Probst zwei für mich eindrucksvolle Momente: Zum einen führt er eine neue Figur in die Heerschar kriminalistischer Ermittler ein, die deutlich nach einer Fortsetzung rufen. Anton Schwarz ist 49 Jahre alt und kein typisierter Held, dafür aber ein sehr sympathischer Mensch, der zu kämpfen hat mit den Alterungserscheinungen, mit der (unfreiwilligen“)Trennung von seiner Frau, die er auf gar keinen Fall vollziehen will. Mit warmen Humor und Verständnis können wir als Leser Anton Schwarz bei den Begegnungen mit seinem Nachfolger, dem neuen Lebensgefährten seiner Frau, begleiten und uns mit Anton solidarisch fühlen. Zum zweiten klingt das gesamte Buch nie so, als würde Peter Probst vor sich hin Fantasieren. „Genauso könnte es sein“, das ist, was bei mir als Eindruck entsteht. In kurzen, knappen Sätzen erzählt er seine Geschichte. Mit ebenso kurzen, aber eindrücklichen Adjektiven skizziert er seine Figuren, die trotz des Fehlens umfassender Beschreibungen sofort lebensnah und echt erscheinen. Wir geraten mit hinein in die Lebenswelt dieser Figuren (schon das erste Kapitel lässt den Leser in kurzen und knappen Sätzen Platz nehmen im Denken eines wütenden und hasserfüllten Menschen) und mit ihnen entdecken wir die Gefahr, die von den geschickt manipulierenden Methoden der Führung der neonationalen Bewegung eingesetzt werden.
Stilistisch merkt man dem Buch die Schreibroutine des Autors durchaus an, dies wirkt allerdings an keiner Stelle langweilig oder dahin geschrieben, sondern erhöht im Gegenteil den Reiz des Lesens, da keine stilistischen Ungereimtheiten das Lesevergnügen stören und die Art des Schreibens die Geschwindigkeit hochhält ohne gehetzt zu wirken.
Fazit:
Spannend, realitätsnah, versehen mit einer überzeugenden Geschichte ohne logische Brüche und getragen von einer sympathischen und vielschichtigen Hauptperson, die die Probleme des (Beziehungs-) Lebens in der modernen Welt nahe bringt. Unbedingt lesenswert!
[*] Diese Rezension schrieb: Michael Lehmann-Pape (2010-04-05)
Hinweis: Diese Rezension spiegelt die Meinung ihres Verfassers wider und muss nicht zwingend mit der Meinung von versalia.de übereinstimmen.